Somalia knebelt unabhängige Medien

Regierung verordnet Schließung aller wichtigen Radiosender in der Hauptstadt Mogadischu. Wieder Tote bei Kämpfen

BERLIN taz ■ Im Versuch, die somalische Hauptstadt Mogadischu unter Kontrolle zu kriegen, hat die Regierung von Übergangspräsident Abdullahi Yusuf zum Schlag gegen unabhängige Medien ausgeholt. Per Dekret verfügte sie gestern die Schließung der vier wichtigsten unabhängigen Radio- und Fernsehsender der Stadt. Shabelle Media Network, Horn Afrik, IQK sowie der internationale TV-Sender Al-Dschasira wurden schriftlich aufgefordert, „ihre Sendeoperationen einzustellen, sobald sie dieses Dekret erhalten. Die Managements der Medien werden informiert, dass sie am Dienstag zur Sicherheitsabteilung der Regierung kommen sollen, die sich in der Bar Fiat in Mogadischu befindet.“ Shabelle Radio berichtete auf der eigenen Webseite, alle betroffenen Sender hätten der Schließung sofort Folge geleistet.

Gründe wurden nicht genannt. Gegenüber einer Nachrichtenagentur sagte Regierungssprecher Abduraman Dinari, die Sender hätten „Gewalt geschürt“, und erklärte: „Wir untergraben nicht die Meinungsfreiheit, sondern wir sichern die Sicherheit der Bevölkerung.“

Zuvor hatte Übergangspräsident Yusuf gesagt, Mogadischu befinde sich „im Chaos“ und sei „nicht sicher“. Dann ernannte er einen neuen Bürgermeister für die Millionenstadt. Premierminister Ali Mohammed Gedi sagte zugleich, die Entwaffnungsaktionen der Regierung in Mogadischu seien ein Erfolg. Seit einigen Tagen kommt es täglich zu Schießereien zwischen den in der Hauptstadt stationierten äthiopischen Truppen und lokalen Milizen. In der Nacht zu gestern geriet ein äthiopischer Militärkonvoi in einen Hinterhalt; bei einem langen Feuergefecht setzte eine Rakete ein Militärfahrzeug in Brand. Augenzeugen sagten, es habe hohe Verluste gegeben und es sei der schwerste Zusammenstoß seit der äthiopischen Einnahme Mogadischus am 28. Dezember gewesen. In einem weiteren Vorfall starb ein Polizist bei einem Überfall auf eine Polizeistation. Äthiopiens Armee riegelte das betroffene Stadtviertel mit Panzern ab.

Um einen möglichst raschen Abzug Äthiopiens aus Mogadischu zu ermöglichen, verstärkt die Afrikanische Union (AU) ihre Suche nach einer afrikanischen Friedenstruppe für Somalia. Eine AU-Delegation traf am Sonntag in Mogadischu ein, um mit der Regierung mögliche Einsatzpläne zu besprechen. Die AU will mindestens 8.000 Soldaten nach Somalia schicken, aber bisher gibt es lediglich aus Uganda eine feste Zusage für 1.500 Mann. Die Regionalorganisation Igad (Interregierungsbehörde für Entwicklung) hat die Regierungen von Algerien, Angola, Mosambik, Ruanda, Sambia, Tansania und Tunesien schriftlich ebenfalls um Soldaten gebeten.

Unterdessen wendet sich die EU gegen die US-Politik in Somalia. EU-Entwicklungskommissar Louis Michel sagte gestern, die US-Luftangriffe in Somalia letzte Woche seien eine Eskalation der Krise am Horn von Afrika. „Die Zukunft Somalias hängt von politischen Lösungen ab“, sagte Michel nach einem Treffen mit dem somalischen Parlamentspräsidenten Scharif Hassan Scheich Adan. Dabei müsse das Parlament des Landes eine Schlüsselrolle spielen. D.J.