SVEN HANSEN ÜBER DIE INTERRELIGIÖSE GEWALT IN INDONESIEN
: Du bist kein wahrer Muslim

Es ist nicht nur das Land mit der weltgrößten muslimischen Bevölkerung, Indonesien ist auch ein Vielvölkerstaat mit langer Tradition religiöser Toleranz. Muslime machen die große Mehrheit (88,2 Prozent) der Bevölkerung aus. Trotzdem ist das südostasiatische Land ein säkularer Staat. Der Islam in Indonesien ist lange nicht so dogmatisch wie seine arabischen Varianten.

Säkularismus wie religiöse Toleranz waren nie unumstritten. Zu Zeiten des Diktators Suharto (1965–1998), der in der Endphase seiner Herrschaft selbst mit dem Islam flirtete, wurden auch Islamisten unterdrückt. Mit der Demokratisierung und Dezentralisierung gewannen sie an Einfluss. Die finanzielle Hilfe aus arabischen Staaten tat ihr Übriges. Bei Wahlen blieben sie trotzdem marginal, doch inzwischen bedrohen sie die religiöse Toleranz. Denn ihnen gelingt es immer wieder, Indonesiens Politiker unter Druck zu setzen. Statt die tolerante Form des Islam selbstbewusst zu verteidigen und zu demonstrieren, dass Islam, Demokratie und Rechtsstaat zum Nutzen aller kompatibel sind, lassen sich Politiker instrumentalisieren. Offenbar gibt es in Indonesien einen Minderwertigkeitskomplex gegenüber strengeren arabischen Islaminterpretationen. Der Vorwurf, wer religiöse Toleranz statt strikter Koranauslegung predige, sei kein wahrer Muslim, ist ein Totschlagargument und treibt auf Mehrheiten schielende Politiker vor sich her.

Ein erschreckendes Beispiel ist Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, der eigentlich des Islamismus unverdächtig ist. Jetzt verteidigte er nach der jüngsten Gewalt gegen Ahmadis das Dekret, dass Ahmadiyah die öffentliche Ausübung ihrer Religion verbietet. Yudhoyonos Aufforderung, die Sekte nicht gewaltsam anzugreifen, wird die Islamisten kaum beeindrucken.

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