Vorreiter in der Sterbebegleitung

Schleswig-Holstein will Palliativmedizin und Hospizversorgung verbessern. Während einzelne Sterbehäuser über mangelnde Auslastung klagen, fordert der Hospiz- und Palliativverband den Ausbau ambulanter Strukturen

von FRIEDERIKE GRÄFF

Nichts weniger als „Vorreiterland“ in der Palliativmedizin und bei der ambulanten und stationären Hospizversorgung möchte Schleswig Holstein werden. So heißt es aus dem Kieler Sozialministerium. Das erarbeitet zusammen mit dem Hospiz- und Palliativverband Schleswig-Holstein einen Bericht über die Qualität und den Bedarf an ambulanter und stationärer Hospizversorgung im Land.

Derzeit gibt es 57 stationäre Hospizplätze und an fünf weiteren Standorten Initiativen oder Planungen für die Errichtung eines Sterbehauses. Damit kommen auf eine Million Einwohner zwanzig Betten, was eine deutlich bessere Versorgung bedeutet als im Bundesschnitt – dort stehen nur fünfzehn Betten bereit. In den skandinavischen Ländern oder Großbritannien ist das Angebot weit größer.

Das Kieler Sozialministerium betont, dass der im Herbst 2006 eingerichtete „Runde Tisch Palliativmedizin und Hospizversorgung“, der aus Vertretern des gleichnamigen Arbeitskreises und Landtagsabgeordneten besteht, nicht in Zusammenhang mit der nur knapp abgewendeten Schließung zweier Hospize in Elmshorn und Geesthacht stünde. Den beiden Häusern, die von der Fontiva-Hospiz-Betriebsgesellschaft geführt werden, drohte im vergangenen Herbst kurzfristig die Schließung wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit. Bei einem runden Tisch einigten sich Betreiber und die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) schließlich auf eine Reduzierung der Plätze von vorher 16 auf jetzt zwölf pro Haus.

Einzelne Hospizbetreiber klagen über rückläufige Auslastung. Sie machen höhere Auflagen der Krankenkassen und des Medzinischen Dienstes dafür verantwortlich. „Zehn Prozent niedriger“ sei die Auslastung des Hospizes „Haus Porsefeld“ in Rendsburg, sagt dessen Geschäftsführer Norbert Schmelter. Verantwortlich dafür macht er die Verunsicherung der Krankenhausmitarbeiter durch neue Anweisungen. Oftmals berieten die falschen Ansprechpartner die Angehörigen der sterbenden Patienten.

Der Geschäftsführer des Hamburger Hospizes Helenenstraße, Kai Puhlmann, kritisiert, dass es für ältere Patienten „schwierig“ geworden sei, in ein Hospiz überwiesen zu werden. Statt dem zuzustimmen, argumentiere der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), dass sterbende ältere Menschen, die zuvor zu Hause oder im Krankenhaus waren, auch in einem Pflegeheim gut betreut werden könnten. Dort seien die Kosten für den Aufenthalt deutlich geringer. Zahlen für seine These kann Puhlmann jedoch nicht nennen. Verantwortlich für die mutmaßlich höhere Ablehnungsquote macht er die Umstrukturierung des Medizinischen Dienstes, dessen Hamburger und Schleswig-Holsteinische Dienststelle im letzten Jahr in Lübeck zusammengelegt wurden.

Dessen Geschäftsführer Peter Zimmermann weist die Kritik zurück. Der Medizinische Dienst, der auf Anfrage der Kassen eine – nicht bindende – Empfehlung gibt, habe sich 2005, wie auch in den Vorjahren, in 75 Prozent der Fälle für die Überweisung in ein Hospiz ausgesprochen. Dabei sei es Interesse des Medizinischen Dienstes, „dass die Hospizbetten für Sterbende und nicht für Pflegebedürftige frei bleiben“. Derzeit könne man jedoch in der Tat kaum von einer Überbelegung sprechen.

Die Probleme der Fontiva-Hospize in Elmshorn und Geesthacht haben Zimmermann nicht überrascht. Es könne leicht „in ein Ungleichgewicht“ kommen, wenn ein Träger – wie damals geschehen – plötzlich ein großes Hospiz in die Landschaft stelle, ohne es vorher durch ehrenamtliche Helfer zu verankern – wie es das Hospiz-Konzept eigentlich vorsehe.

Ebenfalls in Schutz nimmt Erika Koepsell, Vorstandsmitglied im Hospiz- und Palliativverband Schleswig-Holstein, den Medizinischen Dienst. Der von diesem konzipierte Fragebogen für die Überweisung in ein Sterbehaus sei nicht ein Mehr an Bürokratie, sondern als Kontrollfunktion „völlig in Ordnung“. Koepsell sieht als vordringliche Aufgabe, dass die „Hospiz- und Palliativarbeit auch in Alten- und Pflegeheime implementiert wird“.

Eben dies ist einer der Eckpunkte der Gesundheitsreform, die einen Rechtsanspruch auf sterbebegleitende Versorgung vorsieht. Schleswig-Holstein, so Koepsell, sei „gut vorbereitet“ auf die ebenfalls im Zuge der Gesundheitsreform vorgesehenen „Palliative Care Teams“, die sich ambulant um die Betreuung Sterbender kümmern. Denn hier habe man bereits Ende der 90er Jahre die Fortbildung in der Sterbebegleitung für Mitarbeiter unter anderem aus der Altenpflege oder der Seelsorge geöffnet.

Nun gehe es darum, dass „der richtige Patient an den richtigen Ort“ komme: „Die Politik hat erkannt, dass die stationäre Betreuung die teurere und nicht notwendigerweise die bessere ist“, sagt Koepsell. „Die Hospizgruppen sollten nicht nur ein Haus hinstellen wollen, sondern auch überlegen, wie sie mit anderen Versorgern zusammenarbeiten können“.