EKD-Ratschef plädiert für raschen Afghanistan-Abzug

BUNDESWEHR Nach Afghanistan-Reise hat Nikolaus Schneider „neue Sicht auf das Thema Sicherheit“

„Deutsche Soldaten dürfen nicht zu Besatzern werden“

EKD-RATSCHEF NIKOLAUS SCHNEIDER

DÜSSELDORF epd/dpa | Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat nach seinem dreitägigen Besuch in Afghanistan für eine zügige und vollständige Übergabe der Sicherheitsaufgaben von der Bundeswehr an die afghanischen Kräfte plädiert.

Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan müsse verantwortlich angegangen werden, sagte Schneider am Sonntag in Düsseldorf. Und er müsse bald geschehen. Die Bundeswehr sei fast zehn Jahre im Land. „Deutsche Soldaten dürfen nicht zu Besatzern werden“, sagte der oberste Repräsentant von rund 25 Millionen Protestanten.

Schneider warnte vor einem Scheitern der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan. Zwar gebe es Hoffnung. „Aber es ist Hoffnung auf dünnem Eis.“

Schneider, der auch Projekte nichtstaatlicher Hilfsorganisationen besuchte, verwies auf Fortschritte beim zivilen Aufbau. Er habe „eine neue Sicht auf das Thema Sicherheit gewonnen“. Viele zivile Helfer hätten betont, dass die Bundeswehr zur Absicherung der Aufbauarbeit zurzeit noch benötigt werde. Andererseits könne eine langfristige Sicherheit von den deutschen Soldaten nur vorbereitet, aber nicht erzeugt werden.

Der erste Zweck der Reise sei der Besuch der Soldatinnen und Soldaten gewesen, betonte der EKD-Chef. Viele seien Gemeindemitglieder: „Und ordentliche Pfarrer besuchen ihre Leute.“ Er sei beeindruckt gewesen, wie intensiv die Soldaten ihren Einsatz und ihre persönliche Situation reflektierten. Sie betonten selbst, dass sie sich schuldig machten, wenn sie Menschen töteten. Ebenso empfänden sie Schuld, wenn sie nichts zum Schutz der Bevölkerung unternähmen, schilderte Schneider.

Diesem „friedensethischen Dilemma“ müsse sich auch die Kirche verstärkt stellen, mahnte der Theologe, der auch Präses der rheinischen Landeskirche ist. Die Kirche könne den Soldaten und Soldatinnen bei ihrem Auslandseinsatz nicht die ethische Gewissheit geben, das Richtige zu tun. Friedensethisch sei der Einsatz der Bundeswehr aus seiner Sicht lediglich „hinnehmbar“.

Schneiders Amtsvorgängerin Margot Käßmann hatte mit ihrer Kritik am Afghanistaneinsatz vor gut einem Jahr („Nichts ist gut in Afghanistan“) eine breite Debatte ausgelöst. Schneider sagte, er werde sich von diesem Satz nicht distanzieren. „Er war nötig, er war richtig“, betonte er.