„Die Begeisterungsfähigkeit fehlt“

Der Politikwissenschaftler Michael Zürn von der Hertie School of Governance in Berlin erklärt, warum die Geisteswissenschaften kaum Geld aus den Elitetöpfen erhalten

taz: Herr Zürn, die geisteswissenschaftlichen Fächer erhalten nur einen geringen Anteil aus dem Exzellenz-Fördertopf, ihre Anträge wurden bisher rund fünfmal so häufig abgelehnt wie die naturwissenschaftlichen Bewerbungen. Wieso kommt die Fächergruppe so schlecht weg?

Michael Zürn: Mit ihrer diskursiven, kritischen Gutachterkultur legen sich die Geisteswissenschaftler selbst Steine in den Weg. Die Begeisterungsfähigkeit, wie sie in den Naturwissenschaften zu Hause ist, fehlt. Die Geisteswissenschaften betonen häufig die Kontras der Anträge ihrer Fächergruppe. Das liegt in der diskursiven Natur der geisteswissenschaftlichen Fächergruppe, ist aber ein klarer Nachteil im Wettbewerb.

Das heißt, die Geisteswissenschaften bringen sich selbst ins Abseits?

Ich hoffe, die Gutachter werden die positiven Aspekte der geisteswissenschaftlichen Anträge in den nächsten Runden stärker herausstellen. Doch auch das Wettbewerbsverfahren begünstigt die Naturwissenschaften, so beispielsweise der große Anteil ausländischer Gutachter. In der Physik wird jede Arbeit auf Englisch publiziert, in der Politologie ist das nicht so. So wird häufig nur die Hälfte der geisteswissenschaftlichen Forscher im Wettbewerb von der internationalen Gutachtern ernst genommen.

Also werden die Dichter und Denker in der Exzellenzinitiative klar benachteiligt.

Ja, aber das ist ein ungewollter Nebeneffekt – der in den nächsten Runden allerdings korrigiert werden muss.

Was hat der Wettbewerb der Elite-Unis für Folgen für die Geisteswissenschaften?

Werden die Wettbewerbsbedingungen für die Geisteswissenschaften verbessert, schneiden sie in den nächsten Runden auch besser ab. Das hoffe ich inständig, denn der Bedarf an Fördermitteln ist in diesen Fachbereichen mindestens ebenso hoch wie in anderen.

Und falls keine Korrektur erfolgt?

Dann wiederholt sich das schlechte Ergebnis der ersten Runde, und die Uni-Präsidenten erhalten das gefährliche Signal: Die wirklich großen Blumentöpfe seien nur noch mit Naturwissenschaft und Technik zu gewinnen. Für die Geisteswissenschaften und die Gesellschaft wäre dies eine fatale Entwicklung, denn ein absoluter Schwerpunkt in Naturwissenschaft und Technik greift einfach zu kurz: Die technische Entwicklung der Menschheit wird in den nächsten 25 Jahren ebenso schnell voranschreiten wie in den letzten Jahrzehnten – ohne politische, gesellschaftliche und kulturelle Reflexion wird das nicht gut gehen.

INTERVIEW: NICO POINTNER