DIE STIMMEN DER ANDEREN
: DIE STIMMEN DER ANDEREN

Libération (Frankreich)

Schamlose Diktatur

Der Schamlosigkeit einer 30-jährigen Diktatur fügt Mubarak nun die Verbrechen des blutigen Endes seines Untergangs hinzu. Er hat das Exil verweigert, als es noch Zeit war, nun muss er ohne die Unterstützung einer Armee auskommen, die es bislang ablehnt, den Volksaufstand niederzuknüppeln. Daher schickt der Herrscher nun seine Prügelknechte, die auf den Straßen von Kairo die Oppositionellen belästigen, terrorisieren, lynchen. Angst und Anarchie, Hass und Chaos – das sind die letzten Waffen eines in die Enge getriebenen Tyrannen.

La Stampa (Italien)

Die Tränen des Pharaos

Wenn Husni Mubarak fällt, dann werden die Militärs entscheiden, mit welchen Führern der Opposition es einen Dialog geben soll. Und sie werden garantieren, dass der Einfluss Washingtons weiterhin in höchstem Maße gegeben ist – es ist besser, nicht zu viel Stolz an den Tag zu legen angesichts von 1,3 Milliarden Dollar an jährlicher Hilfe aus den USA. Außerdem werden die Militärs dafür sorgen, dass an den Friedensvereinbarungen mit Israel nicht gerüttelt wird. Die Tränen des „Pharaos“ (Mubarak) werden jedenfalls auf Ägypten fallen: Der Sieger wird es mit einer schlimmen Wirtschaftskrise zu tun haben, mit einer riesigen Arbeitslosigkeit und Inflation. Viel wird von der Großzügigkeit der Freunde im Ausland abhängen. Doch auch diese werden etwas dafür verlangen.

Corriere della Sera (Italien)

Aufstandsbekämpfung wie in China

Das wiederholte aggressive Vorgehen gegen Demonstranten und ausländische Journalisten wird – nach Einschätzung der Oppositionellen – von oben gelenkt. Das ägyptische Regime kopiert damit Regierungen, denen es in der Vergangenheit gelungen war, Volksaufstände zu ersticken: China, Birma, den Iran. Um die Proteste zu unterdrücken, ist es notwendig, keine unbequemen Zeugen auf den Straßen zu haben, und ausländische Journalisten sind da das erste Ziel. Die Bilder der großen Fernsehsender und Reportagen werden von demjenigen als tödliche Gefahr gesehen, der auf dem Thron bleiben will.

Berlingske (Dänemark)

Israel bangt um Ägyptens Zukunft

Die israelische Regierung hat allen Grund, die Perspektiven nach dem Abgang von Präsident Husni Mubarak nuancierter zu betrachten und alle Risiken in die Analyse einzubeziehen. Als einzige Demokratie im Nahen Osten wünscht Israel Freiheitsrechte für die gesamte Region, weiß aber auch, dass es viele unbekannte Faktoren gibt. Die wichtigste Frage für Israel lautet: Wer kommt nach Mubarak? Wenn die Israelis nachts ruhig schlafen können sollen, muss das eine starke Person sein, die Frieden mit den Nachbarn im Norden wünscht. Lasst uns hoffen, dass es auch eine demokratisch gesinnte Person ist, die die Kraft hat, sowohl Demokratie und Freiheit als auch den Frieden zu sichern.

Dagens Nyheter (Schweden)

EU und USA haben versagt

Die gewalttätigen Zusammenstöße in Kairo bedeuten eine politische und menschliche Katastrophe für Ägypten und sind ein Problem für die EU und die USA. Die friedlichen Demonstrationen und die Forderung nach Meinungsfreiheit und Demokratie sind mit brutaler Gewalt niedergeschlagen worden. Sowohl US-Präsident Obama als auch die EU-Außenministerin haben Präsident Mubaraks Regime in der vergangenen Woche konkrete Ratschläge gegeben. Aber die Bilder aus Kairo zeigen mit aller Deutlichkeit, dass sie die Lage falsch eingeschätzt haben. Mubarak erklärte, dass er nicht wieder kandidieren will. Die Mitteilung wurde in Washington und Brüssel willkommen geheißen. Aber haben sie sich wirklich die ganze Rede angehört? Mubarak hatte nämlich auch angekündigt, Sicherheit, Gesetz und Ordnung im Land wiederherstellen zu wollen. Die Forderung nach Demokratie war zu schwach. Dass die EU und die USA darüber hinaus Mubaraks Versprechen glaubten, macht den Verrat nur noch größer.

Quellen: dpa, eurotopics