Leserinnenvorwurf

Trendig, aber falsch

Die Behauptung, die linke Schwulenbewegung habe bis in die Neunziger zum Thema sexueller Missbrauch geschwiegen, ist schlicht falsch. Günter Amendt hat bereits 1984 in „Sexualität konkret“ sehr klar Stellung bezogen („Nur die Sau rauslassen? Bei der Pädophilie sind viele Interessen im Spiel. Aber kaum die der Kinder“), Martin Dannecker auch schon 1987.

Jan Feddersen ist ein zu belesener Mann, um dies nicht zu wissen. Aber es passt wohl nicht in das wohlfeile, derzeit trendige Narrativ.

SOPHINETTE BECKER, Frankfurt am Main

taz-Antwort
Wohlfeiler Gestus im politischen Nirwana

Liebe Frau Becker,

Martin Dannecker, vor allem jedoch Günter Amendt haben in den – wenngleich spärlichen – Debatten um Pädosexualität stets als Sexualwissenschaftler argumentiert, der „Sexfront“-Autor verstand sich stets als nichtbewegungshaft, Dannecker vom Institut für Sexualwissenschaft in Frankfurt am Main sehr wohl. Das kreißend-krude Beharren auf Solidarität mit beinah jedweder sexueller Andersheit war seitens ihrer Verteidiger obendrein meist nicht persönlich-betroffen gemeint im Sinne eigenen Begehrens.

Die Liebe zum Pädosexuellen speiste sich hauptsächlich aus dem irritierend-bockigen Wahn, sich politisch von bürgerrechtlichen (und damit auch bürgerlich zu erkämpfenden) Anliegen (Homoehe, also insgesamt rechtliche Gleichheit) abzugrenzen.

Die allesamt doch sehr bürgerlich, um nicht zu sagen: saturiert lebenden Liebhaber des Subversiven bevorzugen bis heute den radikalen, irgendwie ja auch wohlfeilen Gestus im politischen Nirwana. Amendt und Dannecker gehören natürlich nicht zu diesen. JAN FEDDERSEN, taz-Redakteur