Der Newcomer des Jahres

EHRUNG opentaz-Redakteur Sebastian Heiser bekommt einen Preis

Maulwürfe gelten als emsig und lichtscheu – und so ähnlich verhält es sich auch mit unserem sonntaz-Kollegen Sebastian Heiser, Jahrgang 1979, der nun Anfang der nächsten Woche in das grelle Licht der Scheinwerfer treten muss, um seinen Preis entgegenzunehmen: Das Medium Magazin wählte ihn zum „Newcomer des Jahres“.

Das Lichtscheue bezieht sich bei Sebastian Heiser allein auf seine Unwilligkeit, sich fotografieren zu lassen. Das Emsige jedoch qualifizierte ihn von Anfang an für ein Projekt, das in der sonntaz-Redaktion ausgetüftelt wurde. opentaz nennt sich das Format, das im September letzten Jahres anlässlich der Erweiterung unserer Wochenendausgabe erstmals an den Start ging. opentaz, laut Medium Magazin eine „innovative Mischung aus Wikileaks-Prinzip und Leser-Blatt-Bindung“, bindet die Leser insofern an ihr Blatt, als es ihnen die Möglichkeit gibt, Rechercheaufträge zu erteilen. „Was sollen wir für Sie recherchieren“, fragt die taz – Sebastian Heiser wählt dann zusammen mit der sonntaz-Redaktion jene Anfragen heraus, die umsetzbar, originell und relevant sind. Zum ersten Erscheinungstermin bekam die Leserin Karin Biel eine Antwort: „Sehe ich richtig, dass die Länge der Lkws sich verdoppelt hat? Es ist doch heller Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass bei gleichbleibender Bevölkerung hier im Land das Frachtaufkommen sich derart vergrößert hat.“

Es stellte sich heraus, dass die Leserin keineswegs unter Halluzinationen litt. Vielmehr wurden auf Straßen in der Nähe ihres Wohnortes in Schleswig-Holstein „Gigaliner“ getestet, 25 Meter lange Lastwagen, die auch in Zukunft der umweltfreundlicheren Bahn Konkurrenz machen sollen.

Zusätzlich zu dem entsprechenden Artikel in der sonntaz veröffentlichte Sebastian Heiser Dokumente rund um die Gigaliner im taz-Rechercheblog. Open-Data lautet das Stichwort, dessen erste Hälfte opentaz den Namen gab. Als „Wikileaks-Prinzip“ machte es weltweit Furore. Auch opentaz bietet Menschen, die Zugang zu Dokumenten haben, die von öffentlichem Interesse sind, die Möglichkeit, diese unter Wahrung der Anonymität zu veröffentlichen.

Auf diesem Weg landete die taz im Oktober letzten Jahres einen Scoop. Eine „Person“ hatte der taz die zuvor geheimgehaltenen Verträge über den Verkauf der Berliner Wasserbetriebe überlassen. Vorbei war es mit der Geheimhaltung – ans Licht kam ein veritabler Skandal rund um die Veräußerung ehemals öffentlichen Guts.

Sebastian Heiser, sonntaz-intern ob seiner Recherchewut und Aktenaffinität liebevoll Maulwurf genannt, ist also auch unser Haus-Assange. Anders als der Wikileaks-Gründer legt er jedoch großen Wert auf Transparenz in eigener Sache. So zog er auf dem taz-Hausblog unter der Überschrift „Meine Vierte-Gewalt-Bilanz“ eine selbstkritische Bilanz seiner Tätigkeit im Berliner Lokalteil – und kam zu dem Schluss, das er seiner Rolle als Journalist nur in wenigen Fällen wirklich nachkommen konnte. Auch für diese laut Medium Magazin „außergewöhnliche journalistische Grundhaltung“ bekommt er seinen Preis.

Sebastian Heiser wäre nicht Sebastian Heiser, wenn er nicht im Vorfeld dieses Artikels darauf hingewiesen hätte, dass er diesen Preis als „Auszeichnung für das Format opentaz und für die Gemeinschaftsleistung der Redaktion“ sieht. Die sonntaz-Redaktion gratuliert dennoch von Herzen. MARTIN REICHERT