ORTSTERMIN: BASCHA MIKA TRIFFT HEIDE SIMONIS
: Das Lamento der feigen Frauen

Niemand werde uns Frauen befreien, sagt Mika, das müssten wir schon selbst machen

Ach! Wenn doch alles anders wäre, dann – wäre sicher alles anders. Dieser Seufzer scheint den Abend über nicht weichen zu wollen, hier im feinen Saal des Hamburger Literaturhauses unter den zwei üppigen Kronleuchtern und den gemalten Engeln an der Decke. Dabei könnte es doch wirklich provokativ und hart zur Sache gehen an diesem Abend: „Die Feigheit der Frauen“ heißt das Buch, das die ehemalige taz-Chefredakteurin Bascha Mika vorstellen will.

Neben ihr hat Heide Simonis Platz genommen, ehemalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein und überhaupt die erste Inhaberin dieses Amtes in einem deutschen Bundesland. Der Saal, immerhin 160 Plätze, ist seit Tagen ausverkauft, wer zuletzt kommt, muss stehen. Im Publikum: fast ausschließlich Damen über 50, wohlfrisiert, mit Rotwein in der Hand. Hier und da auch ein paar Herren.

Für den thematischen Einstieg hat früher am Tage Angela Merkel einen guten Anlass geliefert: Ihr „Nein“ zur Frauenquote empört an diesem Abend alle Anwesenden. „Diese Entscheidung der Kanzlerin war dumm und kurzsichtig“, sagt Simonis. Die Frauenbewegung sei 1.000 Schritte nach hinten gefallen und jetzt „geht alles wieder von vorne los“.

Niemand wagt so recht, einen Blick in diese unsichere Zukunft zu werfen. Dann lieber alte Kamellen: Mika gibt Sprüche ihres Vaters von früher zum Besten, „lange Haare, kurzer Verstand“. Simonis sinniert darüber, dass Merkels lila Kleid und ihre Frisur kommentiert werden, so mancher männliche Politikerkollege aber „ungeniert eine Wampe vor sich herträgt“. Simonis hat durchaus einiges mitzuteilen: Die Frauen seien nicht mutig genug, die Männer würden sich einfach besser verkaufen. Die Frauen würden besser arbeiten, aber die Männer seien dreister. Nur vereinzelt regt sich im Publikum Protest: Das seien doch alles alte Argumente, ruft eine Frau von hinten. Eine andere raunt: „Reden wir jetzt über Politik, oder was?“ Nach einer Stunde verlassen die ersten den Saal.

Mika kommt nur selten dazu, über ihre durchaus durchdachten Thesen zu sprechen. Niemand werde uns Frauen befreien, sagt sie, das müssten wir schon selbst machen. Mit den feigen Frauen im Titel ihres Buches meine sie im Übrigen alle, „auch mich selbst“. Besonders aber junge Frauen machten sich was vor, wenn sie glaubten, dass sie die alten traditionellen Rollenmuster bereits hinter sich gelassen hätten. „Wir sind keine Gegnerinnen des Systems, wir sind Komplizinnen.“

Aber wo sind sie, die jungen Frauen, über die hier gesprochen wird? Die beides wollen, Kind und Karriere? Sie sind an diesem Abend woanders. Ob sie am Herd stehen? EMS