Bettlerfreie Zone erwünscht

BÜRGERWEHR Initiative aus Gewerbetreibenden und Wohnungsbesitzern will einen privaten Sicherheitsdienst engagieren, der Obdachlose aus St. Georg vertreibt

Der Hansaplatz wurde aufgepeppt und mit repressiven Maßnahmen sollen Drogenhandel, Straßenstrich sowie Obdachlose verdrängt werden:

■ Sperrgebietsverordnung: Seit 1980 war St. Georg Sperrgebiet für Prostituierte, Verstöße der Frauen dagegen wurden aber nur prophylaktisch geahndet.

■ Kontaktverbotsverordnung: Seit Januar 2012 können Freier mit Bußgeldern bis 5.000 Euro belangt werden, wenn sie eine Sexarbeiterin auf offener Straße ansprechen.

■ Kriminalisierung der Sexarbeit: „Das Kontaktverbot hat nicht zu einem Rückgang der Prostituierten geführt“, sagt der Leiter des zuständigen Polizeikommissariats, Andreas Nieberding. „Wir zählen noch bis zu 40 Damen am Tag.“

VON ANNIKA LASARZIK

Müll liegt herum, es riecht nach Urin und Erbrochenem. Schon zur Mittagszeit pöbeln Betrunkene Anwohner und Besucher an oder schlafen am Rand des Brunnens mitten auf dem Hansaplatz ihren Rausch aus. In den umliegenden Gassen blühen Drogenhandel und Prostitution – so stellt sich die Situation an einem der zentralen Plätze in St. Georg dar, folgt man der aktuellen Berichterstattung.

Der Hansaplatz habe sich zu einer Schmuddel-Ecke entwickelt, sagt eine Gruppe aus Gewerbetreibenden und Immobilieneigentümern in St. Georg um den selbst ernannten Quartiersmanager Wolfgang Schüler. Der Hansaplatz sei nicht nur ein Treffpunkt für die Trinkerszene. Der Drogenhandel habe auch zugenommen und die Prostituierten gingen trotz offiziellen Kontaktverbots weiter ihrem Gewerbe nach. Jetzt will die Gruppe einen privaten Sicherheitsdienst engagieren, um Betrunkene und Bettler zu vertreiben.

„Völliger Blödsinn“, sagt Michael Joho, Vorsitzender des Einwohnervereins in St. Georg. Er glaubt nicht, dass es heute mehr Prostituierte, Trinker und Bettler in St. Georg gibt. „Es gibt keine dramatische Zuspitzung der Verhältnisse auf dem Steindamm und dem Hansaplatz“, sagt Joho. Vielmehr habe sich die gesamte Szenerie auf dem Hansaplatz belebt, die Gaststätten hätten gerade in den vergangenen Wochen ein bunt gemischtes Publikum angezogen.

Dass sich traditionell auch sozial benachteiligte Menschen im Viertel um den Hauptbahnhof aufhalten, gehöre zum Charakter von St. Georg dazu, sagt Joho. „Statt einer gesäuberten Visitenkarte befürworten wir eine Durchmischung und dass das Recht auf Stadt für alle beginnt in der City, beim Hauptbahnhof“, so Joho weiter.

Die Forderung nach mehr Ordnung im Stadtteil ist für den langjährigen Bewohner von St. Georg nichts Neues. „Seit Jahren werden Schreckensszenarien gezeichnet, die aber nur von einer kleinen interessengeleiteten Gruppe im Stadtteil gestützt werden“, sagt er. Einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren, hält sieht Joho für Unsinn. Das verdränge nur die sozialen Probleme aus dem Blickfeld. Die realen Probleme ließen sich jedoch nicht mit repressiven Methoden aus der Welt schaffen.

Es gebe Probleme im Stadtteil, sagt auch Joho. Aber statt Kontrollen durch Sicherheitsdienste schlägt er andere Lösungen vor: Um etwa den Drogenhandel einzudämmen, seien Runde Tische sinnvoll, um Probleme zu benennen und gemeinsam mit allen Beteiligten im Stadtteil Lösungswege auszuhandeln. Unter dem ehemaligen Leiter des Bezirks Mitte, Markus Schreiber, wurde dieses Vorgehen jedoch eingestellt und seitdem nicht wiederbelebt.

Die neue Initiative aus Gewerbetreibenden und Wohnungseigentümern stehe laut Joho in Zusammenhang mit den kommenden Bürgerschaftswahlen. „Die Themen Kriminalität und Sicherheit sollen offenbar in den Wahlkampf eingebracht werden“, sagt er. Er hoffe aber, die Politik werde deutlich machen, dass soziale Schieflagen nicht durch Repressionen beseitigt werden können. „Wir wollen keine zweite Ära Schill in St. Georg erleben“, sagt Joho.