Prag versucht es mal wieder mit Regierung

Dem gestern von Tschechiens Präsidenten ernannten Kabinett droht bei Parlamentsabstimmung erneut die Niederlage

PRAG taz ■ Sieben Monate nach der Parlamentswahl hat der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus gestern eine neue Mitte-rechts-Minderheitsregierung unter dem Konservativen Mirek Topolánek (ODS) ernannt. Die Koalition aus der Bürgerpartei (ODS), den Grünen (SZ) und den Christdemokraten (KDU-ČSL) muss innerhalb von 30 Tagen im Abgeordnetenhaus die Vertrauensfrage stellen. Hier droht dem Bündnis jedoch eine Niederlage, da die beiden linken Oppositionsparteien derzeit eine Tolerierung verweigern.

Im Juni hatte Tschechien sich ein Patt ins Parlament gewählt. Die Siegeslaune, die Topolánek noch nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses versprüht hatte, ist längst nervöser Ratlosigkeit gewichen. Er weiß, dass die Urkunde, die ihn zum zweiten Mal seit den Wahlen zum Ministerpräsidenten ernennt, auch ein Vorbote seiner Demission als ODS-Chef sein kann. Innerhalb der Partei brodelt es. Topoláneks schärfster Rivale ist der Prager Oberbürgermeister Pavel Bém. Im Gegensatz zum etwas bullig und unbeholfen wirkenden Topolánek wirkt jener redegewandt und volksnah. Bém hat Topolánek schon im Vorfeld seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten aufgefordert, zurückzutreten, falls es mit der Regierungsbildung wieder nicht klappen sollte. Grund der Verärgerung sind Topoláneks Zugeständnisse an die kleinen Koalitionspartner. Nicht nur die Ernennung Karl Schwarzenbergs als Außenminister der Grünen sorgt für Aufsehen. Die ODS-Basis stört sich vor allem daran, dass Topolánek das Ressort Finanzen dem Christdemokraten Miroslav Kalousek überlassen hat. Der war noch im August bereit, eine Regierung mit den oppositionellen Sozialdemokraten zu unterstützen. SASCHA MOSTYN