LESERINNENBRIEFE
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Götter der höheren Einsicht

■ betr.: „Hier ging es um Sexuelles“, taz vom 26. 6. 14

Ja, so geht’s uns seit ein paar Jahrhunderttausenden: Ob ein Licht am Himmel erscheint, ob ein Zug gegen eine Brücke klatscht, ob ein Politiker öffentlich ausflippt oder ob ein Fußballer beißt anstatt tritt, wir brauchen dafür eine Irgendwie-Erklärung. Wir fragen die Götter der höheren Einsicht.

Der Gläubige fragt den Pfarrer, der Andersgläubige fragt den Psychoanalytiker. Beide wissen’s auch nicht so genau, verfügen aber über die Endlosschwafelschleife, mit der sich alles erklären lässt. (Und genau deshalb auch nichts). Den nächsten Schritt schaffen wir erst, wenn wir diesem Schwurbel einst entronnen sind.

HUBERT VOLLMER, Freiburg

Klimawandel nimmt Fahrt auf

■ betr.: „Die Dämmerung der grünen Imperialisten“, taz v. 28. 6. 14

„Für die Bürgerenergie eine Katastrophe“, taz vom 25. 6. 14

Ingo Arzt scheint einen anderen Planeten zu bewohnen. Soll es ja geben, erdähnliche Planeten. Auf unserer Erde hier – und speziell in Deutschland – geht das Waldsterben weiter, die Atomkraftwerke laufen noch, ja, im Rhein kann man schwimmen, dafür wird Kohlekraft gerade wieder salonfähig und Tempo 30 in den Städten ist überhaupt nicht in Sicht.

Meine Gegenthese: Die Ökobewegung in den Industrieländern wird wichtiger. Denn: Der Klimawandel nimmt an Fahrt auf. Erste Folgen sind sichtbar, aber Gegenmaßnahmen werden bisher kaum getroffen. Dabei sind die Industrieländer immer noch die größten Klimagasproduzenten. Das neue EEG ist ein großer Rückschlag. Und derselbe Ingo Arzt, der meint, die Ökobewegung in den Industriestaaten würde unwichtiger werden, schüttet im Interview Häme über die Umweltbewegung aus. Der Vorstandssprecher der Naturstrom AG wird schlechter Lobbyarbeit bezichtigt und die letzte Frage lautet sinngemäß: So schlimm kommt es doch gar nicht! Na, das gefällt mir. Erst die Umweltbewegung kleinreden und dort, wo sie derzeit gefordert ist – EEG neu –, zynisch über sie herziehen. Wie wäre es anstelle von Häme und steilen Thesen mit ein paar sachlichen Aussagen? Mit der Umlage auf Eigenproduktion soll angeblich dafür gesorgt werden, dass die wachsende Eigenstromnutzung nicht immer weniger Haushalte finanzieren müssen. Aber es ist ja umgekehrt. Sorgen wir doch dafür, dass bald alle Haushalte vom Eigenstrom profitieren, indem wir massiv in die Eigenproduktion von Energie und Wärme investieren. MICHAEL DROSS, München

Grund für Skepsis

■ betr.: „Gauck vermiest Bundestag die Ferien“ u. a., taz v. 30. 6. 14

Schön, wenn sich mit dem Bundespräsidenten wenigstens ein Staatsorgan die Mühe macht beziehungsweise die Mühe machen lässt, ein im Eilverfahren auf den Weg gebrachtes Gesetzesvorhaben verfassungsrechtlich auf Herz und Nieren zu prüfen. Das Diätenurteil von 1975 sollte jedenfalls Grund genug für eine gesunde rechtliche Skepsis sein, hinzu kommt freilich die derzeitige Disposition der Parlamentsmehrheit.

Dass einige Politiker gleichwohl mit den Hufen scharren oder gar, wie der Unions-Fraktionsgeschäftsführer Grosse-Brömer, nassforsch in Richtung Staatsoberhaupt zu verstehen geben, sie sähen keine verfassungsrechtlichen Probleme (das sollte man von den Gesetzesinitiatoren ohnehin annehmen dürfen!), spricht für sich, aber gewiss nicht für herausragende parlamentarische Reife und höchste demokratische Umgangsformen.

IRA BARTSCH, Lichtenau-Herbram

Rechts und bürgerfern

■ betr.: „Der Bundespräsident hat recht“, taz vom 30. 6. 14

Bettina Gaus schreibt in ihrem Kommentar, der Bundespräsident habe mit seiner Kritik am Diätengesetz recht, auch wenn er sonst gern möglichst ohne Aufwand Beifall einsacke.

Mir kommt der Verdacht, dass es ihm in der Tat nur um Beifall geht und nicht um irgendein Gesetz. Es gefällt ihm, dass die Medien seine „Prüfung“ des Gesetzes (zu der er bei jedem Gesetz verpflichtet ist) als Bedenken auslegen, aber er selbst hat zu keinem Zeitpunkt geäußert, dass ihm das Gesetz missfalle.

Zudem hat man zur Erhöhung seines eigenen Gehalts im letzten Jahr keinen Ton vernommen. Aber Kritik an Parteien und Abgeordneten ist in Deutschland kostenlos zu haben und wird immer gern genommen. Das unterstreicht Gaucks Nimbus als „unabhängig“. Dabei ist er zwar parteilos, aber der rechteste und bürgerfernste Präsident seit 1949. TILMAN LUCKE, Berlin

Interessen harmonisieren

■ betr.: „Gauck vermiest Bundestag die Ferien“, taz vom 30. 6. 14

Die beabsichtigte Ankoppelung der Diäten an die Lohnentwicklung ist ein willkürlicher und fragwürdiger Automatismus, dessen Verfassungs- und Demokratiekonformität zu Recht in Frage gestellt werden muss. Wenn schon ein Automatismus, dann könnte man mit gleicher Willkür die Diäten auch an die Steigerungsrate der voll sozialversicherungspflichtigen und mindestens tarifentlohnten und unbefristet geschlossenen Arbeitsverhältnisse anbinden. Dies wäre aus meiner Sicht ein absolut vernünftiger und wirksamer Anreiz, die Interessen von Abgeordneten mit denen der Gesellschaft zu harmonisieren. JÖRG BRÖKING, Witten