Vattenfall will Kohle sehen

ENERGIE Der Energiekonzern macht den Bau neuer, klimaschonenderer Kraftwerke von mehr Fördergeldern abhängig. Grüne sehen Klimaschutzvereinbarung in Gefahr

„Die Anlagenkonfiguration richtet sich auch nach dem Markt“

VATTENFALL-SPRECHERIN

VON CLAUDIUS PRÖSSER

Verabschiedet sich Vattenfall durch die Hintertür aus der Klimaschutzvereinbarung mit dem Senat? Am heutigen Mittwoch tritt die Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ zu einer Anhörung mit dem Energiekonzern zusammen. Das Konzept, das die Vattenfall-Vertreter den Abgeordneten vorstellen werden, benennt neue Voraussetzungen etwa für den Bau von Kraftwerken. Für die Grünen sind damit wesentliche Kernpunkte der Vereinbarung infrage gestellt.

In den Vattenfall-Unterlagen, die der taz vorliegen, werden im Abschnitt über die Entwicklung von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und Fernwärme bis zum Jahr 2050 „Rahmenbedingungen“ formuliert. Dort heißt es, das KWK-Fördergesetz müsse „für große Anlagen angemessen fortgeführt/angepasst werden“. Zudem müsse die „Strom-Leistungszurverfügungsstellung für KWK angemessen berücksichtigt“ werden.

Was bedeutet das? Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien verändern sich die Bedingungen für die Stromproduktion in Gaskraftwerken, denn sie dienen den Erzeugern dazu, Verbrauchsspitzen kurzfristig abzufangen. Bislang war das vor allem in den Mittagsstunden wichtig. Je mehr Strom nun aus Sonnenenergie kommt, desto seltener muss man die Gaskraftwerke einschalten. Das aber macht sie unwirtschaftlicher, auch und gerade wenn es sich um hocheffiziente und staatlich geförderte KWK-Anlagen handelt – die Förderung fließt nämlich nur pro erzeugter Kilowattstunde.

Staatlicher Bonus

Vattenfall hat im Rahmen der 2009 unterzeichneten Klimaschutzvereinbarung versprochen, mehrere alte Kraftwerke bis 2020 durch moderne, effiziente Anlagen zu ersetzen. Im Mittelpunkt steht dabei das mit Braunkohle aus der Lausitz betriebene Heizkraftwerk Klingenberg am Rummelsburger See. Laut Vereinbarung will Vattenfall es bis 2020 stilllegen und durch ein oder zwei moderne Gas-und-Dampf-Kraftwerke sowie ein Biomasse-Kraftwerk ersetzen. Die Gas-und-Dampf-Kraftwerke, bei denen es sich ebenfalls um Anlagen mit KWK handelt, sollen rund 450 Megawatt thermische und rund 580 Megawatt elektrische Leistung bereitstellen.

Nach Einschätzung des Grünen-Abgeordneten Michael Schäfer, der in der Enquete-Kommission sitzt, macht der Energiekonzern mit den erstmals formulierten „Rahmenbedingungen“ den Bau der neuen und klimaschonenderen – aber eben auch weniger rentablen – Kraftwerke von „mehr Staatsknete“ abhängig: über die Erhöhung der KWK-Förderung und über eine „Kapazitätsprämie“. Die fordern andere Konzerne wie Eon und RWE schon länger. Es handelt sich dabei quasi um einen staatlichen Bonus für die Bereithaltung von Reservekapazitäten, auch wenn diese immer weniger zum Einsatz kommen.

„Im Moment wäre der Betrieb dieser neuen Anlagen wirtschaftlich nicht darstellbar, da hat Vattenfall schon recht“, räumt Schäfer ein. Auch er sieht deshalb die Politik in der Verantwortung. Berlin müsste sich zumindest im Bundesrat für eine Förderung einsetzen, die den Bau hocheffizienter KWK-Kraftwerke wirtschaftlich sinnvoll machen würde. Schließlich gehe es hier um ein zentrales Klimaschutzvorhaben des Landes.

Auf Anfrage der taz hieß es von Vattenfall, man werde seine Klimaziele „rechtzeitig zu 2020 erreichen“ und „für die langfristig sichere Fernwärmeversorgung im Osten Berlins an einer wirtschaftlich tragfähigen Gesamtlösung“ arbeiten. Ob es allerdings beim vereinbarten Bau der neuen Kraftwerke bleibe, blieb offen: „Die genaue Anlagenkonfiguration hierfür richtet sich neben dem Fernwärmebedarf auch nach den Marktbedingungen sowie den weiteren Rahmenbedingen, zu denen auch die weitere Ausgestaltung der KWK gehört“, teilte die Sprecherin von Vattenfall Berlin, Julia Klausch, mit. Konkreteres dürfte sich im Verlauf der heutigen Anhörung durch die Enquete-Kommission ergeben.

Die sogenannten Klimaschutzvereinbarungen hat der Senat zwischen 2007 und 2011 mit zehn öffentlichen und privaten Unternehmen geschlossen, darunter der Freien Universität, der Vivantes GmbH und der Zoo AG. Rechtlich verbindlich sind diese Vereinbarungen nicht.