Die Zögerlichkeit Obamas

USA Der US-Präsident soll die Milliardenhilfe für Kairo stoppen, fordern US-Politiker. Obama scheint von den Ereignissen überrascht. Doch Washington war gut informiert

„Dies ist kein islamistischer Aufstand. Es geht um liberale, amerikanische Werte“

STEVEN COOK, NAHOSTEXPERTE

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Das 27. militärische Spitzentreffen zwischen Ägypten und den USA verlief ungewöhnlich: Fünf Tage vor dem Ende reiste Sami Hafez Enan, Stabschef der ägyptischen Streitkräfte, nach Kairo zurück. Dort entließ Präsident Mubarak am selben Tag das Kabinett. Während der General in der Luft war, gab Barack Obama seine erste Erklärung zu Ägypten ab. Er verurteilte die Gewalt gegen friedliche DemonstrantInnen und verlangte Respekt vor den „universellen Rechten“ sowie die Konkretisierung der Reformversprechen des ägyptischen Regimes.

Eine Demokratiebewegung können die USA auch anders unterstützen, das haben sie in Georgien und Serbien bewiesen. Doch Obama verlangt weder den Rücktritt Mubaraks noch Neuwahlen. Er droht auch nicht, die Zusammenarbeit zu unterbrechen. Immerhin überweisen die USA jährlich 1,5 Milliarden Dollar, davon 1,3 Milliarden Militärhilfe. Damit ist Ägypten der zweitwichtigste militärische Günstling Washingtons nach Israel.

Die Mitglieder der „Ägypten-Arbeitsgruppe“, darunter republikanische und demokratische PolitikerInnen und NahostexpertInnen, wollen, dass die Unterstützung aufhört. Sie verlangen den Rücktritt Mubaraks und das Ende des Ausnahmezustands. „Nur freie und faire Wahlen können für einen friedlichen Übergang zu einer legitimen Regierung in Ägypten sorgen“, erklärten sie am Samstag. Robert Kagan, Co-Chef der Gruppe, fügt hinzu: „Wir hätten es kommen sehen müssen.“

Bei Demonstrationen in Washington, New York und in Atlanta prangern DemonstrantInnen am Samstag an, dass das ägyptische Regime Tränengas aus den USA bezieht und dass es mit US-Waffen schießt. Ein Demonstrant sagte: „Dies ist eine gute Gelegenheit, der arabischen Welt zu sagen, dass die USA aufseiten der Demokratie stehen.“

Damit tut Washington sich schwer. Sowohl die damalige Außenministerin Rice (2005) als auch Barack Obama (2009) haben bei Reden in Kairo Plädoyers für mehr Demokratie und Meinungsfreiheit abgegeben. Doch zu der Demokratiebewegung in Tunesien äußert sich Hillary Clinton erst einen Tag vor der Flucht des Präsidenten Ben Ali. Nach dessen Sturz versichert Barack Obama am Dienstag bei seiner Rede zur Lage der Nation den TunesierInnen die Sympathie der US-Amerikaner. Doch zu Ägypten, wo es schon massive Proteste gab, sagt er nichts.

Unterdessen berichten US-JournalistInnen aus Kairo von DemonstrantInnen, die englischsprachige Transparente mit sich tragen und keinerlei US-kritische Stellungnahmen abgeben. Steven Cook vom Council on Foreign Relations beschreibt, wie er in Kairo „vermutlich der einzige Amerikaner“ inmitten von tausenden DemonstrantInnen war. „Dies ist kein islamistischer Aufstand. Es geht um liberale, amerikanische Werte.“

Obwohl Obamas zögerliches Vorgehen darauf schließen lässt, dass er überrascht wurde, zeigen Wikileaks-Dokumente, wie gut Washington informiert war. Aus Berichten der US-Botschaft in Kairo geht hervor, dass die USA noch zur Zeit von Bush zumindest einen Oppositionellen in Ägypten zu einer Fortbildung in die USA geladen haben. Die Berichte sagen auch, dass Washington Informationen über Umsturzpläne für 2011 hatte und dass es 2010 zu Missstimmungen gekommen ist wegen des US-Verlangens nach Menschenrechten und Reformen. Und wegen der US-Kritik, dass Ägypten 32 Jahre nach dem Friedensvertrag Israel weiter als wichtigsten Feind betrachtet.