Ein Land ist offline

INTERNET Die Sperrung der Kommunikationskanäle in Ägypten ist einzigartig in der Geschichte

BERLIN taz | Am Freitag kurz nach Mitternacht ging Ägypten offline. Die vier großen Internet-Provider Link Egypt, Vodafone/Raya, Telecom Egypt und Etisalat Misr kappten in einer konzertierten Aktion die Verbindungen zur Außenwelt. Fast alle ägyptischen Websites waren nicht mehr zu erreichen. Nur wenige kleine Unternehmen waren von der Internet-Sperre noch ausgenommen, etwa Noor Data Networks, zu deren Kunden die Börse Kairo & Alexandria gehört.

Die ägyptische Regierung habe das Recht, die Internetprovider anzuweisen, ihren Dienst einzustellen, auch die Mobilfunknetze, erklärte Vodafone. Experten schätzen, dass am Freitag gegen Mittag schon knapp 90 Prozent des ägyptischen Internet abgeschaltet war.

Staaten wie Ägypten können das Internet technisch lahmlegen, weil es dort nur relativ wenige Glasfaserkabel gibt, die die Daten zu den großen Netzen weiterleiten. Die Firmen, die diese Zugänge technisch warten, stehen unter strenger Kontrolle der Regierung oder müssen Lizenzen beantragen wie zum Beispiel das ägyptische Nilesat. Das Unternehmen unterhält mehrere Kommunikations-Satelliten, die vom der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Französisch-Guayana ins All geschossen wurden. Auch diese leiten jetzt keine Daten mehr ins Internet weiter. Für das Versenden von Massen-SMS braucht man eine Lizenz, die nur regierungstreue Organisationen erhielten.

Die Internetblockade macht Ägypten zu einer Art geschlossenem Intranet: Die Router, die für den Datenaustausch mit dem Ausland zuständig waren, wurden so programmiert, dass sie „fremde“ Rechner nicht mehr als solche erkennen und deren Datenanfragen abweisen. Das Border Gateway Protocol, der technische Standard, der garantiert, dass Computer von einem Provider zum anderen kommunizieren können, wurde für Ägypten außer Kraft gesetzt.

Staaten und Diktaturen, die das Internet zensieren wollen, versuchten bisher, bestimmte Websites zu sperren, die vor allem zur Kommunikation genutzt werden, wie den Kurznachrichtendienst Twitter oder Facebook. Websperren lassen sich mit wenigen Mausklicks umgehen – indem Proxy-Server oder andere Mittel zur Anonymisierung genutzt werden. Sie haben nur symbolischen Charakter und sollen technische Laien abschrecken. Das gilt sogar für Länder wie China, dessen Zensurinfrastruktur beispiellos ist. Dass ein Land alle Kommunikationskanäle sperrt, ist bisher einzigartig in der Geschichte.

Die ägyptische Opposition greift jetzt zu Mitteln, die schon als veraltet galten. Der Twitter-Nutzer @EgyptFreedomNow gab bekannt, dass das Internet noch per Modem-Einwahl zu einem Provider erreichbar sei, also etwa als teures Auslandsgespräch. BURKHARD SCHRÖDER