Noch ein Jahr Krieg

AFGHANISTAN Nach einer turbulenten Woche hat das Parlament das Bundeswehr-Mandat um ein Jahr verlängert. Der Verteidigungsminister verfolgte die Debatte schweigend

„Am Hindukusch wird unsere Freiheit immer mehr eingeschränkt“

GREGOR GYSI, LINKE

VON GORDON REPINSKI

Eine Woche der Skandale, Enthüllungen und Selbstverteidigung ist am Freitag für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) glimpflich zu Ende gegangen. Das Parlament hat das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr bis Ende Januar 2012 verlängert. 419 Abgeordnete von 578, die an der Abstimmung teilnahmen, stimmten dafür – das sind 72,5 Prozent. Es ist eine der schwächsten Raten in der Geschichte des Einsatzes. 2010 lag sie bei mehr abgegebenen Stimmen knapp 1 Prozent höher.

Das Mandat erlaubt wie im vergangenen Jahr die Entsendung von maximal 5.000 Soldatinnen und Soldaten sowie eine Reserve von 350 Personen. Die Kosten liegen bei mehr als einer Milliarde Euro. Die Bundeswehr wird dabei weiter im Norden tätig sein, die größten Feldlager liegen dort in Masar-i-Scharif und Kundus. Außerdem ist sie in der Hauptstadt Kabul vertreten.

Laut Mandat soll der Bundeswehrabzug Ende dieses Jahres beginnen, sofern es die Lage erlaubt. Um die Formulierung gab es einen erbitterten Streit in der Bundesregierung. Die Festlegung auf das Jahr 2011 war Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wichtig, Verteidigungsminister Guttenberg bestand auf der Einschränkung. Für die Regierung kritisierte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger, dass die Fortschritte in Afghanistan zu wenig beachtet würden: „Man sieht oft nur die Probleme.“

Die Opposition ist in der Afghanistan-Frage gespalten. Die SPD stimmte überwiegend zu, „nach reiflicher Überlegung“, wie Parteichef Sigmar Gabriel in der Debatte sagte. Er betonte, die Begründungen für den Einsatz, den die SPD im Jahr 2001 auf den Weg gebracht hat, gälten auch heute noch. Dennoch verknüpfte er die Zustimmung mit der Forderung eines Abzugsbeginns in diesem Jahr: „Wir stimmen zu, weil wir sicher sind, dass die Truppenreduzierung 2011 beginnt und die Bundeswehr 2014 nicht mehr in Kampfhandlungen verwickelt sein wird.“

Die Grünen enthielten sich überwiegend, allerdings stimmten auch zahlreiche Abgeordnete für oder gegen das Mandat. Der Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sagte: „Wir können Ihrem schwammigen Mandat der Konjunktive nicht zustimmen.“ Es ginge nicht mehr um das Ob eines Abzuges, sondern um das Wie, „ohne einen erneuten Bürgerkrieg zu riskieren“.

Die vielleicht emotionalste Rede des Tages hielt Gregor Gysi für die Linke. Gysi kritisierte, die Regierung sei „verfangen in der Logik des Krieges“. Am Hindukusch werde die Freiheit Deutschlands nicht verteidigt, sagte er mit Blick auf den Satz des Ex-SPD-Verteidigungsministers Peter Struck, „am Hindukusch wird unsere Freiheit immer mehr eingeschränkt“. Grüne und SPD forderte er auf, „aus der Kriegskoalition“ auszutreten.

Verteidigungsminister zu Guttenberg sprach nicht. Er verfolgte die Debatte schweigend. Nachdem die Abstimmung beendet war und das Ergebnis feststand, äußerte er sich doch. Er sei zuversichtlich, dass der Abzug 2011 beginnen könne, sagte er.

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