HANNES KOCH ÜBER DAS WIRTSCHAFTSFORUM VON DAVOS
: Kurz vor der Staatsinsolvenz

Im Phrasendreschen ist das Weltwirtschaftsforum von Davos wieder ganz groß. „Gemeinsame Werte für eine neue Realität“ hat WEF-Chef Klaus Schwab als Motto des diesjährigen Weltgipfels der Manager und Top-Politiker ausgegeben. Und doch scheint selbst bei ihm die bange Frage durch: Ist unsere globale Marktordnung überhaupt noch handhabbar?

Am Beispiel der Eurokrise dürfte diese Frage bald wieder einmal beantwortet werden. In Davos ließ Griechenlands Finanzminister Giorgios Papakonstantinou durchblicken, dass es ratsam werden könnte, griechische Staatsanleihen zu einem geringen Wert zurückzukaufen. Griechenland würde damit eingestehen, seine Schulden später nicht in voller Höhe abbezahlen zu können. Athen ginge den Weg der Umschuldung – ein weiterer Schritt zum Eingeständnis der Zahlungsunfähigkeit. Wie die internationalen Investoren darauf reagieren, steht in den Sternen.

Denn sie müssten auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Sie wären zwar sicher, vielleicht 70 Prozent des verliehenen Kapitals zurückzuerhalten – aber eben nur 70 Prozent. Dies wiederum könnte die bekannten Kettenreaktionen auslösen. Jeder Anleger stellte sich sofort die Frage: Was ist mit Irland? Oder Portugal und Spanien?

Wir stehen vor einem großen Experiment. Damit es nicht zum Untergang des Euro führt, braucht der europäische Rettungsfonds mehr Kapital. Denn er wird Griechenland das Geld für den Rückkauf der Staatspapiere leihen. Außerdem sollte der Fonds den Investoren glaubhaft demonstrieren können, dass er über ausreichende Summen verfügt, um weitere Staaten abzusichern. Die Bundesregierung muss sich darauf einrichten, dem Fonds mehr Finanzkraft zur Verfügung stellen. Ein Staatsbankrott ist niemals billig. Die Rettung der europäischen Währung erst recht nicht.

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