UNO hat neue Kindersexaffäre

UN-Personal im Südsudan soll Minderjährige missbraucht haben. Erst 2005 waren UN-Sexaffären im Kongo aufgeflogen. Im Südsudan blüht Armutsprostitution mit Kindern

„Ich sehe die UN-Autos und hoffe, mich nimmt jemand mit“

BERLIN taz ■ Pünktlich zum Amtsantritt des neuen UN-Generalsekretärs haben die Vereinten Nationen eine neue Affäre um Kindersex bei Blauhelmeinsätzen. Wie der britische Daily Telegraph gestern berichtete, sollen zivile und militärische Mitarbeiter der UN-Mission im Sudan (Unmis) Minderjährige in der südsudanesischen Hauptstadt Juba missbraucht haben. „Man nimmt an, dass hunderte Kinder missbraucht worden sind“, schreibt das Blatt, das bereits öfters mit Enthüllungen über UN-interne Skandale aufgefallen ist.

Die Zeitung schreibt, sie habe Kenntnis von über 20 Opferberichten, wonach UN-Mitarbeiter „regelmäßig junge Kinder in ihren UN-Fahrzeugen mitnehmen und sie zu Sex zwingen“. Zitiert wird der 14-jährige Jonas: „Ein Mann in einem weißen Auto fuhr vorbei und fragte, ob ich einsteigen will. Ich sah, dass es ein UN-Auto war, weil es weiß war mit schwarzen Buchstaben. Der Mann trug eine Dienstmarke an der Kleidung. Als er anhielt, stiegen wir aus, er band mir die Augen zu und begann, mich zu misshandeln. Es tat weh und dauerte lange. Als es vorbei war, gingen wir dorthin zurück, wo ich gewesen war, er schubste mich raus und fuhr weg.“

Juba ist die Hauptstadt von Südsudan, das nach zwanzig Jahren Krieg seit Anfang 2005 unter Führung der ehemaligen Guerillabewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) autonom regiert wird. Seit dem Friedensschluss haben dort die 9.600 Mann starke UN-Friedenstruppe Unmis und die SPLA-Autonomieregierung Quartier bezogen, dazu Unmengen von Hilfswerken. Die Bevölkerung Jubas soll nach Schätzungen seit dem Friedensschluss von rund 300.000 auf 800.000 gewachsen sein. Besuchern zufolge hat sich ein reger Prostitutionsmarkt entwickelt, da die Mehrheit der vielen tausend ausländischen Soldaten und Experten in Juba allein lebende Männer sind, die meisten Einheimischen kein Einkommen haben und die Lebenshaltungskosten aufgrund der internationalen Präsenz stark gestiegen sind.

Die Vorwürfe gegen die UNO dürften kaum jemanden im Sudan überraschen. „Kinderprostitution, Kinderhandel und sexueller Missbrauch von Kindern sind weiterhin Probleme, vor allem im Süden“, heißt es im jüngsten Menschenrechtsbericht der US-Regierung über Sudan. „Kinder engagieren sich zum Überleben in Prostitution, meist ohne Beteiligung Dritter.“ Im Südsudan leben hunderttausende Kinder ohne Angehörige, die Mehrzahl der vier Millionen Binnenflüchtlinge des Sudan ist minderjährig und mittellos, und derzeit ziehen viele auf eigene Faust in ihre Heimat zurück.

Die Definition Minderjähriger ist im Sudan schwierig. Ohne Genehmigung der Eltern dürfen Sudanesen erst ab 21 heiraten, aber das legale Mindesthochzeitsalter ist für Nichtmuslime 15, für Nichtmusliminnen 13 und für Muslime beiderlei Geschlechts „Reife“, was gemeinhin mit 10 Jahren definiert wird.

Für die UNO ist die Affäre dennoch schlecht, hatte sie doch in den letzten Jahren umfangreiche Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch durch Blauhelmsoldaten 2004–2005 in der Demokratischen Republik Kongo treffen müssen. Am 31. Mai 2005 hatte der UN-Sicherheitsrat erstmals verbindliche Vorbeugungsmaßnahmen gegen sexuelle Gewalt durch UN-Personal beschlossen, nachdem in den sechs Monaten davor 152 Vorfälle untersucht worden waren. Fünf UN-Mitarbeiter wurden damals entlassen, 77 UN-Soldaten in die Heimatländer zurückgeschickt, darunter sechs Kommandeure. Für UN-Soldaten auf Friedenseinsätzen gelten seitdem strenge Regeln, die jeglichen sexuellen Kontakt mit der lokalen Bevölkerung verbieten; UN-Soldaten unterliegen nächtlicher Ausgangssperre, und in den meisten Einsatzländern gibt es Listen mit nicht mehr zu betretenden Etablissements.

Die neuen Vorwürfe aus dem Sudan zeigen, dass diese Maßnahmen offenbar nicht ausreichen. Sudans Regierung soll über Videoaufnahmen verfügen, in denen Soldaten aus Bangladesch mit jungen Mädchen schlafen. Für Sudans Regierung ist dies ein gefundenes Fressen im Propagandakrieg gegen eine UN-Stationierung in der umkämpften Region Darfur, wo Menschenrechtler unter Verweis auf sexuelle Kriegsverbrechen durch Regierungsmilizen eine UN-Truppenstationierung fordern.

Die UNO will nun die Vorwürfe untersuchen, nimmt aber nicht im Einzelnen Stellung. Bescheid weiß sie schon länger. Im letzten Vierteljahresbericht über die Tätigkeit der Unmis vom 12. September wird ausgeführt: „Als Ergebnis einer Untersuchung wurde ein Mitarbeiter wegen sexueller Ausbeutung in Zusammenhang mit einem Vorfall aus dem Jahr 2005 entlassen. Zum 28. August wurden 33 ähnliche Fälle untersucht.“

Der 14-jährige Jonas in Juba, den der Daily Telegraph zitiert, geht nach seinen eigenen Worten immer noch regelmäßig an den Ort zurück, wo er zum ersten Mal aufgegriffen wurde. „Ich weiß, dass es schlimm ist, aber ich sehe die UN-Autos spät in der Nacht bei den Bars und ich setze mich hin in der Hoffnung, dass mich jemand mitnimmt. Wenn ich 1.000 Dinars (drei Dollar) verdiene, ist es ein guter Tag.“

DOMINIC JOHNSON