Die lange Fahrt ins Nachbarland

Viele Verkehrsverbindungen von Berlin nach Polen sind schlechter denn je: Easyjet kappt den Flug nach Krakau und die polnische Staatsbahn die Direktanschlüsse. Für die EU hat die Eisenbahnachse ins Baltikum höchste Priorität

Wer per Bahn nach Danzig oder Kolberg will, muss in Stettin nun lange warten

Wenn die Bundesregierung für die kommenden sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, steht eines schon fest: Die Verkehrsanbindung Berlins an Europa sind schlechter denn je. Das betrifft vor allem die Richtung, auf die es nach Meinung von Experten ankommt – in den Osten.

Den Anfang machte im Oktober letzten Jahres die Billigairline Easyjet. Sie strich die beliebte Direktverbindung Berlin–Krakau vom Flugplan. Angeblich sei die Strecke nicht ausgelastet gewesen, hieß es zur Begründung. Tatsächlich aber erlebte Krakau, ähnlich wie Berlin, einen Touristenboom wegen der Billigflieger. Zumindest auf die Touristen aus der deutschen Hauptstadt müssen die Krakauer nun verzichten. Es sei denn, diese nehmen die zehn Stunden dauernde Bahnfahrt in die polnische Stadt in Kauf.

Aber auch bei den Bahnverbindungen hat sich in den vergangenen Jahren einiges verschlechtert. Dies betrifft vor allem den grenzüberschreitenden regionalen Bahnverkehr. So kappte die polnische Staatsbahn PKP die Direktanschlüsse des Regionalexpress „Stettiner Haff“ nach Danzig/Gdańsk und Kolberg/Kołobrzeg. Wer an die beiden polnischen Ostseestädte fahren will, muss in Stettin nun lange Wartezeiten in Kauf nahmen. Gleiches gilt für den Bahnreisenden in Richtung Landsberg an der Warthe/Gorzów Wielkopolski. Hier ignorierte die PKP die stündliche Verbindung zwischen Berlin und dem Umsteigebahnhof Küstrin/Kostrzyn.

Überhaupt zeigte sich in jüngster Zeit vor allem die polnische Seite wenig kooperativ. Die private Niederbarnimer Eisenbahngesellschaft, die zum Winterfahrplan die Strecke Berlin–Kostrzyn übernahm, erhielt erst in letzter Minute eine Sondergenehmigung – befristet auf ein halbes Jahr. Weil es keinen Eisenbahnstaatsvertrag zwischen Deutschland und Polen gab, so argumentierte die polnische Eisenbahnbehörde, musste man erst die Tauglichkeit der Privatbahn feststellen. Warum das so lange gedauert hat, bleibt das Geheimnis der polnischen Behörde. Dabei sind schnelle und gut getaktete Verbindungen zwischen der Grenzregion und Berlin auch im Interesse der Polen. Dies zeigt unter anderem die steigende Beliebtheit des Brandenburg-Tickets, das es auch in Stettin und Kostrzyn zu kaufen gibt.

Keine Verschlechterungen gab es zumindest bei den überregionalen Städteverbindungen. Der Berlin-Warszawa-Express fährt nach wie vor in knapp sechs Stunden in die polnische Hauptstadt. Schneller wird die Verbindung erst, wenn die baufällige Eisenbahnbrücke über die Oder saniert ist. Die liegt übrigens nicht auf polnischer, sondern auf deutscher Seite. Wann die Sanierung beginnt, steht aber noch nicht fest. Bis dahin ruckelt der „Express“ weiter im Schritttempo über die Oder.

Alles beim Alten heißt es auch bei der Verbindung zwischen Berlin und Breslau/Wrocław. Immerhin haben sich die deutsche und die polnische Seite inzwischen auf den Verlauf der Trasse für den angestrebten Ausbau auf 160 km/h geeinigt. Sie führt über den Flughafen Berlin Brandenburg International, Cottbus und Horka über Liegnitz/Legnica nach Breslau. Der polnische Abschnitt wird bereits ausgebaut. Auf deutscher Seite steht noch nicht einmal der Beginn der Arbeiten fest.

Etwas besser ist die Situation beim Autoverkehr. Hier ist auf polnischer Seite die Autobahn zwischen Forst und Breslau erneuert worden. Bis 2009 soll schließlich auch Berlin mit Warschau per Autobahn verbunden sei. Bis dahin soll das fehlende 105 Kilometer lange Teilstück zwischen der Grenze und Nowy Tomyśl westlich von Posen/Poznań fertig sein.

Ganz ohne Visionen aber geht es auch nicht während der deutschen Ratspräsidentschaft. Eines der Lieblingsprojekte der EU ist die Rail Baltica. Diese Eisenbahnachse von Berlin in die baltischen Länder über Warschau, Kaunas, Riga, Tallinn und Helsinki gehört zu den so genannten Trans European Network Transport (TEN-T) und hat in Brüssel höchste Priorität. Aber auch das will nicht viel heißen. Die baltischen Ländern haben sich noch nicht einmal über den Verlauf der Neubautrasse geeinigt.

UWE RADA