Auf der Suche nach der Polizeigewalt

Vor fünf Jahren war Raimond Heydt zum ersten Mal in den Schlagzeilen. Er hatte das Peace-Zeichen an das Bundeskanzleramt gesprüht. Seitdem fordert er den Rechtsstaat heraus und testet die Berliner Polizei. Jetzt wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt

von UTA FALCK

Selbstversuche sind so eine Sache – den von Raimond Heydt hält Amtsrichter Schmidt „so überflüssig wie einen Kropf“. Der 33-Jährige hatte testen wollen, ob sich seine Daten im Polizeicomputer befinden und wie weit die Polizei geht, wenn sie gegen den Willen von Straftätern Fingerabdrücke nimmt. Der Test endete nun vor dem Amtsgericht Tiergarten mit einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen.

1.000 Euro muss der Quergeist wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zahlen: Er hatte seine Hände weggedreht und eine Faust gebildet. Das ist Widerstand gegen die Staatsgewalt, wenn auch äußerst passiv. Vor Gericht trägt Heydt eine Geschichte vor, die 2001 beginnt: Er studierte an der Humboldt-Universität eines der vielen Fächer, für die er sich interessierte: Chinesisch, Betriebswirtschaftslehre, Chemie, Philosophie. Beendet hat er sein Studium nicht. Heute bezeichnet sich der zweifache Familienvater als „Weltenbummler“, der sich regelmäßig in Ägypten aufhält und dort touristische „Kontakte vermittelt“.

Am 9. November 2001 sprühte Heydt an die Außenmauer des Bundeskanzleramts ein Peace-Zeichen gegen die von Deutschen ausgeübte militärische Gewalt in Jugoslawien und Afghanistan. Daneben schrieb er „Make love not war“. „Ich wollte Aufmerksamkeit erzeugen für eine friedliche Sache.“ Die „heute“-Nachrichten berichteten über die Aktion. Wenige Stunden später wurde der Sprayer festgenommen, da er Angaben zu seiner Person verweigerte. Am nächsten Morgen war er identifiziert und frei. Man bescheinigte ihm die Rechtswidrigkeit seiner Festnahme und zahlte ihm 100 Euro Entschädigung. Im November 2002 beantragte der Student die Löschung seiner Daten aus dem Polizeicomputer, dies wurde ihm auch schriftlich zugesagt.

Doch Heydt war misstrauisch und suchte darum nach einer Begegnung mit der Polizei. Das erste Mal gelang ihm dies am 23. Januar 2003: Er wurde beim Schwarzfahren erwischt. Dabei besaß er ein gültiges Semesterticket. Heydt weigerte sich, seinen Namen zu nennen, der Bundesgrenzschutz nahm ihn zur Identitätsfeststellung auf die Wache am Ostbahnhof. Weil der Student während des Abdrucknehmens immer wieder seine Finger bewegte, wurde er dort nach Aussagen Heydts nicht sehr nett behandelt: Ein Beamter habe ihn in die Seite getreten. Vor Gericht kann sich der von Heydt bereits angezeigte Polizeibeamte Kai N. „nur bruchstückhaft an den 21. März 2003 erinnern“.

Auf der Suche nach seinen Bürgerrechten nutzte Heydt zwei Jahre später einen Ladendiebstahl für eine zweite Begegnung mit der Polizei. Diesmal sei er gewürgt worden. Der von Heydt als Täter ausgemachte Polizist erschien nicht vor Gericht. Seine insgesamt fünf Versuche, eine Identifizierung ohne Schmerzen zu überstehen, bezeichnet Heydt als sein damaliges Hobby.

Heute weiß er: Seine Daten sind damals gelöscht gewesen. Eine Identifizierung gegen den Willen eines Verdächtigen sei nur mit Gewalt möglich, die sich endlos steigert, fasst Heydt seine Erfahrungen zusammen. Der Freispruch für einen Ladendiebstahl freut den Angeklagten, schmerzlich findet Heydt die Höhe der Strafe: „1.000 Euro hab ich nicht.“ Doch sicher kann der politisch Aktive seine Strafe in einem der Vereine abarbeiten, in denen er Mitglied ist.