Der Kampf um die Kunstsammler

Düsseldorf bekommt im kommenden Jahr eine neue Kunstmesse für zeitgenössische Kunst. Hinter der „Contemporary“ steht als Betreiber der Hamburger Verlag Gruner & Jahr. In der rheinischen Kunstszene herrscht nun Unruhe. Denn im April 2007 findet zeitgleich auch die Art Cologne statt

VON KATJA BEHRENS

Art Cologne Direktor Gérard Goodrow gab sich im Herbst in Köln zwar gelassen. Doch langsam muss er die 2007 fast zeitgleich stattfindende „Düsseldorf Contemporary“ fürchten. Die hat mit der „Art. Events GmbH International“ eine neue potente Betreibergesellschaft – Tochter des Hamburger Verlagshauses Gruner & Jahr. Bereits vor einem guten Jahr wurde die neue Kunstmesse im Rheinland auf den Weg gebracht. Sie sollte sich ausdrücklich um junge, internationale Kunst kümmern. Damals firmierte Gruner & Jahr nur als großzügiger Geldgeber. Doch der Verlag wollte mehr. Walter Gehlen, mit Andreas Lohaus einer der damaligen Organisatoren, ist nun auch Geschäftsführer der neuen GmbH.

Komplett durchgestylt

Die Zugehörigkeit zum renommierten Verlag bedeutet für die neue Messe Werbung und ein potentes Netzwerk, für den Verlag endlich eine Positionierung im Eventbereich. Im Gegensatz zu Köln war die „Düsseldorf Contemporary“ ursprünglich als ausschließliche Jurymesse gedacht. Doch fühlen sich inzwischen viele Galerien ermutigt, sich zu bewerben und sich den Auswahldiskussionen des nur aus Museumsleuten bestehenden Beirats (Ulrike Groos, Kunsthalle Düsseldorf, Heike Munder, Migros Museum Zürich und Stefan Berg, Kunstverein Hannover) zu stellen. Gut siebzig Kunstvermittler haben heute schon zugesagt. Unterstützt werden die Kuratoren ferner von einem Advisory Board, in dem einige der Galeristen in beratender Funktion versammelt sind.

Die angepeilte Qualität der Messe soll in erster Linie durch die Auswahl der Galerien und ihr Programm gewährleistet werden. Beteiligt ist auch das Architektenbüro Rheinflügel Baukunst, das nun den Auftrag hat, die neue Messe „komplett durchzustylen“. Im April 2007 findet außerdem im Museum Kunstpalast mit „Public Viewing“ eine passende Ausstellung statt, die Einblicke in ältere und neuere Düsseldorfer Sammlungen erlaubt. Der Kampf um die internationalen Kunstsammler kann beginnen.

Rheinland ist skeptisch

In Düsseldorf flogen der neuen Messe schnell die Herzen zu, andernorts war und ist man skeptisch. Und das sicher mit Recht. Hat doch das Rheinland mit der Art Cologne längst eine etablierte und angesehene Messe – auch wenn in den letzten fünfzehn Jahren die Kritik am Messefilz und dem paternalistischen Gehabe der Veranstalter immer lauter wurde und viele Galerien Köln den Rücken gekehrt haben. Nun hat Köln sich entschieden, die Art Cologne in den Frühling zu verlegen, um dem engen Herbstmessenkalender zu entkommen. Es wird also selbst in NRW im April wieder eng, was von den Organisatoren der neuen Messe in Düsseldorf als Pluspunkt kommuniziert wird. „Für Sammler, die aus Übersee kommen und hier ihr Geld in Kunst anlegen möchten, sind die drei Hauptmessen in Köln, Brüssel und Düsseldorf in nächster räumlicher und zeitlicher Nähe eine historisch einmalige Chance“, sagt Geschäftsführer Gehlen. Die Messe in Brüssel hat freilich, was die inhaltliche Ausrichtung angeht, mit den anderen beiden wenig zu tun.

Die neue Düsseldorfer Messe will den Kunstmarkt verjüngen. Zunächst aber ist Überzeugungsarbeit nötig, und so wird immer wieder die Bedeutung Düsseldorfs als Kunststadt beschworen, wird das Mantra von der Kuh gesungen, die nur darauf wartet, gemolken zu werden. Gemeint sind Akademie und Kunstleben, sind die potenten Sammler wohl ebenso wie die Landeshauptstadt-Gelder. „Düsseldorf ist bezüglich Kunst und Kultur auf der Überholspur unterwegs. Nur die Komponente Kunstmesse fehlt hier noch“, erklärt Andreas Lohaus großmundig.

Dass Düsseldorfs auf das Prestige der Stadt bedachter Oberbürgermeister Joachim Erwin dies begrüßt, ist keine Überraschung. Wie zur Bestätigung appellieren derweil die Kölner Kulturinstitute wieder einmal verzweifelt an ihre Stadt, den Kulturhaushalt wenigstens um 0,5 Prozent zu erhöhen: für den Kulturstandort Köln, der sich gerne immer noch Kunststadt nennen würde und im Markenwettbewerb schon heute offenbar höchstens noch als TV-Standort wahrgenommen wird.

Aber ist es tatsächlich erstrebenswert, wenn die neue Messe all das hält, was sie verspricht, nämlich „in Düsseldorf ein gesellschaftliches Ereignis in Szene [zu] setzen, das für Sammler und Galeristen langfristig eine Attraktion sein wird“? Ist es einer lebendigen Kunstszene zuträglich, im Schatten des großen Geschäfts und von „Satelliten-Events“ für die „Kunstsociety“ nach Nischen zu suchen? Könnte sein. Die beiden Organisatoren Gehlen (36) und Lohaus (41) haben bereits als Veranstalter der Kölner Artfair, der als „Internationale Messe für aktuelle Kunst“ seit vier Jahren stattfindenden Parallelmesse zur Art Cologne, die richtige Überzeugungs-Prosa verinnerlicht.

Sie sind vermutlich die idealen Partner für ein Projekt, dem es eher darum zu gehen scheint, einen gierigen globalisierten Markt zu füttern als darum, ein wirklich neues Konzept zur Kunstvermittlung auszubrüten: „Der Markt fordert eine kompakte Frühjahrsmesse von Weltniveau für zeitgenössische Kunst im Rheinland.“ Und die beiden lamentieren weiter: „Der Markt fordert“, „der Gipfel ist noch lange nicht erreicht“... und „die Messe möchte mit nur einhundert Galerien in einem exklusiven Rahmen“ bleiben.

Was der Markt fordert

Ist das bloß unglücklich formuliert oder ehrlich? Und wer soll hier gelockt werden? Mit Galerien wie Jocelyn Wolff (Paris), Casey Kaplan (New York), Georg Kargl (Wien), Wilkinson (London) Franco Nero (Turin) oder Zero (Mailand) mag die Messe ohnehin und ohne große Anstrengung exklusiv werden, unvorteilhaft ist das unbescheidene Ankündigungspathos und das Herausstellen der Blockbuster-Galerien dennoch. Denn die mit Bedacht ausgewählten Galerien, so sagt die im Advisory Board engagierte Daniela Steinfeld, seien gerade nicht durchweg etablierte Größen, sondern mitunter wirkliche Avantgarde. Und auf dem internationalen Messeparkett oft weniger bekannt. Es ist sicher lange schon ein Wunsch, den Markt zu öffnen und auch den kleineren Galerien und der zeitgenössischen Kunst eine internationale Plattform zu bieten.

Was aber motiviert eigentlich die Museumsleute, im Messe-Auswahlgremium mitzuarbeiten? Institutsmenschen, die bislang inhaltlich gearbeitet und mit guten Ausstellungskonzepten überzeugt, aber sich vom Kunstmarkt weitgehend distanziert haben, möchten auf einmal den reinen Kunstgenuss an den Markt verraten? Die Aussicht auf größere Internationalität und eine breitere Wahrnehmung der Düsseldorfer und der rheinischen Kunstszene mit ihren Galerien und Kunstinstituten, bestenfalls auch ein interessanter Diskurs ist für Kunsthallenleiterin Ulrike Groos ein Motiv ihres inhaltlichen Engagements für das Programm. Den Rest machen ohnehin die Messeveranstalter.

Düsseldorf Contemporary19.- 22. April 2007Messegelände, Düsseldorf