US-Kommandoaktion in Bengasi

LIBYEN Washington meldet Ergreifung von Drahtzieher des Angriffs auf das Konsulat. Kämpfe zwischen Islamisten und Säkularen erleichtern den Zugriff

Die libysche Regierung fordert die Auslieferung von Ahmed Abu Khattala

AUS TRIPOLIS MIRCO KEILBERTH

Zwei Jahre lang hat das sonore Summen der Drohnen am Himmel über Bengasi für eine immer wiederkehrende Frage gesorgt: Wann wird Washington in den Machtkampf zwischen den mächtigen islamistischen Milizen und den Vertretern eines säkularen Libyen eingreifen?

Am 11. September 2012 hatten schwer bewaffnete Islamisten das US-Konsulat in Bengasi gestürmt und US-Botschafter Chris Stevens sowie drei amerikanische Sicherheitsleute getötet. Am vergangenen Sonntag wurde mit Ahmed Abu Khatallah einer der vermuteten Drahtzieher bei einer geheimen US-Kommandoaktion aufgegriffen und außer Landes gebracht. Dies gab die Regierung in Washington am Dienstagabend bekannt.

Nachbarn Abu Khatallahs berichteten, der Kommandeur der Abu-Obaida-bin-Dscharrah-Brigade habe sich in den letzten Tagen an dem Kampf gegen die libysche Armee beteiligt. Augenzeugen des Botschaftsangriffs von 2012 bestätigten gegenüber der taz, dass Abu Khatallah bei dem Konsulatsangriff anwesend war, was dieser auch nicht leugnete. Er habe nur Nachbarn aus dem Feuer retten wollen, versicherte er bei einem Gespräch in einem Café in Bengasi.

In den vergangenen zwei Jahren bewegte sich der Islamist wie viele seiner Anhänger recht unbehelligt in Libyens zweitgrößter Stadt und ließ sich bei Pressekonferenzen der Miliz Ansar al-Scharia blicken. Wahrscheinlich wurde der 43-Jährige auf ein US-Kriegsschiff gebracht, das vor vier Wochen zusammen mit Spezialeinheiten an die libysche Küste verlegt worden war. Die USA fahndeten schon seit Anfang 2013 nach Khattalla. Die Voraussetzungen für die Festnahme waren jedoch erst mit der Operation „Karama“ (Würde) des abtrünnigen Generals Khalifa Hafter gegeben, der die islamistischen Milizen von der libyschen Luftwaffe bombardieren lässt.

„Das US-Militär hat mittlerweile die Denkstruktur seiner Feinde angenommen“, sagte der Inhaber eines Sicherheitsdienstes in Bengasi, der der CIA bei der Aufklärung des Geschehens vor dem Konsulat half. „ Es geht ihnen bei solchen Aktionen wie auch Ansar al-Scharia und Isis um Rache und die damit verbundene Abschreckung. Sie werden nicht ruhen, bis sie ihre Gegner zur Strecke gebracht haben.“

Hafter und seine mehrere Tausend Mann starke Allianz werfen der Armeeführung in Tripolis vor, von Islamisten unterwandert zu sein. Eine Gruppe von islamistischen Kongressabgeordneten stehe sogar in Kontakt mit Milizenführern wie Abu Khatalla, so ein Armeekommandeur in Bengasi. Seinen Namen will er aus Angst vor Anschlägen nicht gedruckt sehen.

Mit der US-Aktion ist er zufrieden, und dafür hat er auch einen triftigen Grund. „Die Amerikaner haben vor zwei Jahren die islamistischen Milizen in Bengasi gewähren lassen, weil diese in den Krieg gegen Baschar al-Assad nach Syrien gezogen sind. Diese Kooperation endete mit dem tragischen Tod des Botschafters. Jetzt sollen sich die Amerikaner um die Extremisten kümmern, für deren Macht sie Mitverantwortung tragen.“ Die libysche Regierung forderte die Auslieferung Abu Khattalas und protestierte gegen die Verletzung ihrer Souveränität.

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