Der Asket, der Bier trinkt

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) schien lange Zeit unangreifbar. Bis sich Landrätin Gabriele Pauli aus Fürth zu Wort meldete: Stoiber lasse sie bespitzeln. Gibt er nun auf?

VON MICHAEL STILLER

Es geht zu Ende. Jetzt geht es wirklich zu Ende. Er hat so viel überstanden, aber das mit der Landrätin aus Fürth, das packt er nicht mehr. Neulich sagte Edmund Stoiber zu Franz Müntefering: „Ja freilich muss unsere Partei auch ich meine aus christlicher Fürsorge ein gewisses Maß ich würd das nicht äh Überwachung nennen, sondern Schutz bieten. Unser Parteileben also wir tagen doch überwiegend spielt sich das doch im häufig äh also im Wesentlichen in Bierzelten und auf Weinfesten ab. Da liegt unbedingt doch die Gefahr also des Zu-viel-Saufens nahe und man lernt sich kennen und dann ist Ehebruch, gleichgeschlechtliche Partnerschaft oder was weiß ich also klar muss ich das wissen.“ Müntefering berichtete knapp an Kurt Beck: „Der Bayer macht’s nicht mehr lange.“

Nicht mehr seine Welt

Aber er mag auch nicht mehr. „Das ist nicht mehr meine Welt“, soll er dieser Tage zu seinem Büroleiter und Chefrechercheur Michael Höhenberger gesagt haben, der ehrenamtlich ein Auge auf gefährdete Parteimitglieder hat. Edmund Stoiber nimmt keine Akten mehr mit nach Hause wie sonst, sondern die Prüfungsunterlagen für die Lizenz als Privatdetektiv und die Weissagungen des Bayern-Propheten Mühlhiasl. Zu Hause angekommen, bekommt seine Karin kein Bussi mehr. Stoiber geht dann sofort in den Hobbyraum, wo er drei kleine Puppen mit Nadeln malträtiert und sie ankokelt. Die Puppen sehen aus wie die Landrätin Pauli und Angela Merkel. Diese spirituelle Handlung heißt CSU-Voodoo. Schon Strauß hatte zwölf Kohl-Puppen im Keller.

Neulich hat er sich an die Stelle am Starnberger See fahren lassen, an der König Ludwig II. ins Wasser gegangen ist. Er hat am Dienstag bei der Kabinettsitzung den Herrn über die bayerischen Schlösser und Seen, Finanzminister Kurt Faltlhauser, beiseite genommen und gefragt, wie viel Monatsmiete Neuschwanstein kostet und ob er einen Sonderpreis bekommen könnte. Bei Günter Beckstein habe er sich erkundigt, wie man einen Waffenschein beantragt. „Ja Edmund, wen willst denn abgnalln?“, habe der Franke erschrocken gefragt. „Des wirst dann schon sehn äh hören“, habe Stoiber ihm entgegnet.

Fast jeder in der CSU weiß schon etwas. Die Erkenntnisse des CSAB (Christlich-Sozialer Ausschuss für Beobachtung, intern: Bayern-KGB) sprechen sich herum: Sie sind umfangreich und bedrückend. Drei Psychologen unterstützen den Ausschuss. Stoiber hat wohl auch schlechte Träume. Eine Stoiber-Sekretärin will gehört haben, wie er in seinem Amtszimmer kürzlich ein bayerisches Schnaderhüpfel krächzte. Es habe in etwa so gelautet: „Oamoi traam i von der Merkel, oamoi traam i von mir, oamoi traam i von der Pauli, aber was g’scheits traamt ma nia.“ (Für Norddeutschland: „Einmal träum ich von der Merkel, einmal träum ich von mir, einmal träum ich von der Pauli, aber was Angenehmes träum ich nie“).

Hinter seinem Rücken machen sie schon den Scheibenwischer, aber noch sagt keiner was. Alle wissen, was Strauß in seiner einfühlsamen Weise in solchen Situationen zu meinen pflegte: „Im Haus des Gehängten redet man nicht vom Strick.“ Neulich bei der CSU-Weihnachtsfeier soll Stoiber das falsche Redemanuskript dabei gehabt und mit seiner Abschiedsrede begonnen haben. Den Anwesenden gefror das Blut. Aus dem Aktenstück 34 des CSAB geht der ungefähre Wortlaut hervor:

„Meine, äh, lieben Parteifreunde! Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München zum Ananaszüchten nach Alaska äh mit zehn Minuten ohne dass sie am Flughafen noch einchecken müssten könnte ich mir äh zehn Kilometer also zehn Minuten ersparen. Sie wissen ja können das gar nicht ermessen was zehn Minuten also mir bedeuten, weil im Grunde genommen starten sie nach Alaska am Flughafen am am Hauptbahnhof. Ich hätt euch, liebe Parteifreunde, den Hauptbahnhof äh Transrapid ja hierher gebracht preiswert, aber jetzt mog i nimma und der Hauptbahnhof rückt nicht näher an Bayern.“ Erst nach lauten Zurufen merkte er, dass es nicht die Weihnachtsansprache war.

Brief an CSU-KGB

Bezeichnend auch das Schriftstück 12 des CSAB, ein Briefentwurf, den Stoiber vor seinem Haus in Wolfratshausen verloren und den ein Beamter des Begleitschutzes dem CSU-KGB übermittelt hat. Da heißt es: „Verehrte Angela! Gern hätte ich im nächsten Jahr diese Narrenkoalition an die Wand fahren lassen, aber es wird mir nicht mehr vergönnt sein, dann deine freche Visage zu sehen. Ich habe zwar nie Fehler gemacht, aber das Frühstück in Wolfratshausen, wo du dich mit Ei bekleckert hast war der Anfang vom Ende. Aus Rache, dass du mir die Kanzlerschaft überlassen hast, hast du dafür gesorgt, dass ich verliere. Welches Verbrechen an Deutschland! Das musst du vorg einer höheren Instanz verantworten.“

Bis nach Berlin hat es sich schon herumgesprochen, dass der Bayernzar irgendwie out of balance ist. Für die Januarklausur in Wildbad Kreuth wird das Allerschlimmste befürchtet. Beckstein soll gesagt haben: „Dut’s ihm hald was in den Gamillentee, dass er a Ruh gibt.“ Aber Stoiber mag gar keinen Kamillentee mehr im Maßkrug. Das ist das Beunruhigendste überhaupt. Der Asket trinkt jetzt Bier. Einen Kasten in drei Tagen.