Mit Bafög ins Terrorlager

ISLAMISMUS Die im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet agierenden „Deutschen Taliban“ melden sich zurück. Ihr neuer Anführer ist nach taz-Informationen ein junger Berliner, der noch nach seiner Ausreise Geld vom Staat aufs Konto bekam

■  Reisebewegungen: Allein aus Berlin sind in den letzten zwei Jahren bis zu 20 junge Islamisten nach Pakistan aufgebrochen, darunter schwangere Frauen. Auch aus Hamburg, NRW und anderen Bundesländern reisen immer wieder Islamisten in das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet, um sich dort unterschiedlichen Gruppen anzuschließen: der „Islamischen Dschihad-Union“ (IJU), der „Islamischen Bewegung Usbekistan (IBU), den „Deutschen Taliban Mudschahidin“ (DTM) – und in seltenen Fällen Kern-al-Qaida.

■  Ängste: „In den vergangenen zwei bis drei Jahren ist die Zahl der Reisebewegungen von Islamisten aus Deutschland nach Afghanistan und Pakistan deutlich angestiegen“, so Verfassungsschutzchef Heinz Fromm vor wenigen Wochen zur taz. „Die Motivation der Islamisten ist, sich dort ausbilden zu lassen und sich am Dschihad zu beteiligen. Einzelne könnten den gewalttätigen Dschihad auch in Deutschland austragen wollen.“ (wos)

VON WOLF SCHMIDT

Es war still geworden um die „Deutschen Taliban Mudschahidin“. Um die kleine, im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet agierende Truppe von Islamisten aus Deutschland. Mit dem Saarländer Eric Breininger war im April ihr bekanntester Kämpfer gestorben und mit ihm der „Emir“ der Truppe, der Deutschtürke Ahmet M.

Nun melden sich die selbsternannten „Deutschen Taliban“ und die daran angeschlossene Propagandaabteilung „Elif Medya“ zurück, wie deutsche Sicherheitsbehörden besorgt registrieren. Auf einer türkischsprachigen Internetseite wird ein „Abdul Fettah Almani“ zum neuen „Emir“ erklärt, weitere Videos werden angekündigt.

Erstmals in Erscheinung getreten sind die „Deutschen Taliban Mudschahidin“ mit einem Video vor der Bundestagswahl im September 2009, in der mit einem „Angriff auf Deutschland“ gedroht wurde – während unter anderem Bilder des Brandenburger Tors eingeblendet wurden. Das Video mit dem Titel „Der Ruf zur Wahrheit“ hatte damals einige Aufregung ausgelöst, zumal kurz zuvor auch al-Qaida mit Anschlägen in Deutschland gedroht hatte.

Bei ihrem neuen Anführer „Abdul Fettah“ handelt es sich nach taz-Informationen um den deutschen Staatsangehörigen Fatih T. aus Berlin. Er soll im Mai 2009 ins pakistanisch-afghanische Grenzgebiet aufgebrochen sein. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt gegen ihn wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

„Abdul Fettah“ war im April 2010 in einem Video der „Deutschen Taliban Mudschahidin“ aufgetaucht. Vor zwei gekreuzten Panzerfäusten sitzend, rief er auf Deutsch dazu auf, „in die besetzten Länder zu kommen“ und gegen die Ungläubigen zu kämpfen – oder zu Hause den „Dschihad auf dem Wege Gottes“ zu führen. An anderer Stelle des Videos posiert er vor angeblichen Wrackteilen eines Helikopters, den die Kämpfer abgeschossen haben wollen.

Ein schräges Detail wurde vergangene Woche am Rande einer Gerichtsverhandlung in Berlin gegen mutmaßliche Unterstützer der „Deutschen Taliban“ bekannt. So soll Fatih T. nach Aussage eines BKA-Beamten noch nach seiner Ausreise gen Terrorlager Bafög aufs Konto überwiesen bekommen haben – im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist das vermutlich nicht. Allerdings hatte T. Probleme, vor Ort an das Geld zu kommen.

Als ein weiterer Sprecher hat in den Videos der „Deutschen Taliban“ ein „Ayyub Almani“ fungiert. Nach taz-Informationen handelt es sich bei ihn um den deutschen Staatsangehörigen Yusuf O., der ebenfalls im Mai 2009 in die pakistanisch-afghanische Grenzregion ausgereist sein soll.

Bald schon werde man wieder Videos veröffentlichen, drohen die Islamisten

„Ayyub“ war es, der in dem Video vor der Bundestagswahl 2009, mit vermummtem Gesicht und hinter einem Maschinengewehr kniend, Sätze wie diesen sagte: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Dschihad die deutschen Mauern einreißt.“ Dazu wurden neben dem Brandenburger Tor auch Bilder der Frankfurter Bankentürme und vom Oktoberfest in München eingeblendet.

Die zunehmende Zahl von Ausreisen in das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet bereiten den deutschen Sicherheitsbehörden einige Sorgen (siehe Kasten). Ihre Angst: Die vornehmlich jungen Männer und Frauen könnten nicht nur vor Ort gegen afghanische Soldaten und die Nato kämpfen – sondern möglicherweise nach Deutschland zurückkehren, um hier einen Anschlag zu verüben.

Dazu ist es freilich bisher nicht gekommen. Die „Deutschen Taliban“ haben laut Bundesanwaltschaft aber schon mehrfach Einrichtungen des afghanischen Militärs und der Isaf-Truppen angegriffen und brüsten sich damit, afghanische Soldaten getötet zu haben. In der westafghanischen Provinz Paktika sollen sie an Weihnachten 2009 ein US-Lager mit Raketen beschossen haben.

Einige der Propagandavideos der „Deutschen Taliban“ lassen allerdings an der Schlagkräftigkeit der Truppe zweifeln, so etwa die mitunter recht unsportlichen Bewegungen einiger Islamisten beim Schießtraining. Manche tragen Turnschuhe oder gar Sandalen an ihren Füßen.

Prominentestes Mitglied der „Deutschen Taliban Mudschahidin“ war der saarländische Konvertit Eric Breininger. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen starb er im April 2010 bei einem Gefecht mit dem pakistanischen Militär an einem Checkpoint in der Region Nordwaziristan.

Vor zwei gekreuzten Panzerfäusten rief Abdul Fettah zum Kampf gegen Ungläubige auf

Breininger hinterließ eine Art Tagebuch, das im Internet veröffentlicht wurde und einiges über den Alltag der deutschen Islamisten im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet offenbarte. Dort stand auch, dass die Taliban ihnen den Aufbau einer eigenen Untergruppe erlaubt hätten.

Mit Breininger kamen bei dem Gefecht auch der Berliner Danny R. und der einstige „Emir“ der Gruppe Ahmet M. ums Leben. Eine vierte Person soll so zersiebt worden sein, dass sie nicht mehr zu erkennen war. Das pakistanische Militär schickte Fotos der Toten an die deutschen Sicherheitsbehörden, danach wurden die Leichen an die Aufständischen übergegeben. Kurze Zeit später erschien auf dschihadistischen Internetseiten ein Video, das die drei toten Islamisten aus Deutschland zeigen soll.

Der einstige Anführer der „Deutschen Taliban“, Ahmet M., hatte zuvor Propaganda für die Islamische Dschihad-Union betrieben, in deren Videos auch Breininger zunächst aufgetreten war. Ahmet M.s Propagandaabteilung hieß zunächst „Badr at-Tawheed“, später gründete der im niedersächsischen Salzgitter geborene türkische Staatsangehörige „Elif Medya“. Elif ist der erste Buchstabe des arabischen Alphabets. Ahmet M.s Kampfname lautete „Salahuddin“ nach dem legendären Sultan, der einst die Kreuzfahrer bezwang. In Verlautbarungen der „Deutschen Taliban Mudschahidin“ nannte er sich „Abu Ishaq“.

Mit der nun erschienenen Mitteilung melden sich die „Deutschen Taliban“ und die Medienabteilung „Elif Medya“ mit neuer Führung zurück. Bald schon werde man wieder Videos veröffentlichen, heißt es in der „frohen Botschaft“ der Islamisten.