HAMBURGER SZENE VON MAXIMILIAN PROBST
: Verdunkelung, überall

Nur Wichtigtuer sitzen hinter verdunkelten Scheiben, Voyeure, Intimsphäre-Idioten

Mein Onkel ist auch nicht mehr der Hellste. Sein Auto war neu, er aber ganz der Alte. Kaum saß er hinterm Steuer, wir fuhren von einem Familientreffen zurück, schimpfte er schon wie ein Rohrspatz, und das, wie es seine Angewohnheit ist, auf bayrisch. „Säftel, jetzt fahr schon zu“, rief er, weil einer an der Ampel beim Anfahren träumte.

Bei einer nächsten Ampel war’s ein Audi, der ihm links zu nahe kam, und sich blinkend vor ihm einfädeln wollte. „Du Depp, du damischer“, hörte ich neben mir, und noch einiges anderes, was mir gänzlich unverständlich war. Sehr gut aber verstand ich die Gesten, mit denen mein Onkel, seine Verbalwatschen unterstreichend, sich dem Audifahrer zuwandte. Zu seinem anwachsenden Ärger konnte er den allerdings kaum sehen. Nur ein Schemen zeichnete sich hinter den verdunkelten Scheiben des Audis ab. Grund genug für meinen Onkel, den Rest der Fahrt auf die plötzliche Allgegenwart verdunkelter Scheiben auf der Straße zu schimpfen. Nur Wichtigtuer säßen dahinter, Voyeure, Intimsphäre-Idioten…

Es war wie immer ein großes Vergnügen, und ich gab ihm in allem Recht. Kaum war ich ausgestiegen, erkannte ich allerdings, dass auch mein Onkel sich täuschen kann. Ich beugte mich leicht hinunter, um ihm durchs Fenster zu winken, und was sah ich da? Einen Schemen. Hinter verdunkelten Scheiben.