Frankreich – Honduras in der Fassl Schänke in Wittenau
: Gucken wie bei Muttern

LEA STREISAND

Letzten Sonntag hab ich Fußball geguckt. Wir saßen eh schon in der Fassl Schänke, da haben wir das Spiel Frankreich gegen Honduras gleich mitgenommen. Außerdem hatten wir einen Franzosen dabei.

Die Fassl Schänke befindet sich in der Oranienburger Straße, und zwar nicht in Mitte, sondern in Wittenau. Von Pankow aus kann man schön den Mauerradweg entlanggurken.

Der Eingang zur Kneipe, Kategorie gutbürgerlich-rustikal, ist eine mit Kunsttanne umflochtene Holzpforte, direkt am U-Bahnhof Wittenau. Eine schmale, geschwungene Treppe führt in den Gastraum, der irgendwie Schwarzwald-Atmosphäre hat. Nur dass vor der Tür keine Tannen rauschen, sondern der Verkehr vom Eichborndamm. Bei schönem Wetter wird der Kneipenbetrieb nach draußen verlagert, auf die Dachterrasse, wo 60 Leute sitzen können. Der Laden sitzt quasi auf dem Dach einer Bank: Der Geldautomat befindet sich direkt vor der Tür, in praktischer Münzwurfweite zum Spielautomaten der Fassl Schänke.

Auf der Karte stehen Wurstsalat mit Bratkartoffeln (7,80 Euro), für feinere Herrschaften „Zwei Garnelenspieße an Blattsalaten, dazu Petit Baguette“. An diesem Sonntag gab es ein All-you-can-eat-Buffett mit Grill. Das Essen war wirklich lecker, aber man sollte ein besserer Esser sein als ich, damit sich das rentiert. Bierpreise: normal.

Zum Fußball. Es gibt einen Beamer auf der Terrasse, aber der war nicht angeschlossen. Wahrscheinlich wegen der Lichtverhältnisse. Stattdessen wurde ein Flachbildschirm nach draußen gestellt, der immerhin groß genug war, damit alle Anwesenden fünf Minuten lang über die Torlinientechnik fachsimpeln konnten. „Der war drin!“ – „Der war nich drin.“ – „Ick mach dir gleich watt rinn.“ – „Au ja, Peter, bringste mir noch ’n Bier?“

Von den Kommentatoren-Kommentaren kam in den hinteren Reihen, wo wir saßen, jedenfalls nichts mehr an. Was ja auch nicht das Schlechteste ist.

Die Fassl Schänke ist ein Familienbetrieb – und auch im Publikum waren alle Generationen vertreten: zwischen sechs Monaten und 70 Jahren war an diesem Sonntag alles dabei.

Das meiste von dem Spiel habe ich mitbekommen, während ich vor der Toilette wartete. Es gibt nämlich nur zwei: eine für Jungs, eine für Mädchen, und bei den Jungs zusätzlich zwei Pinkelbecken. Man kann aber durchaus beide Toiletten benutzen. Muss nur draußen jemand Schmiere stehen.

Fazit: Wer es hip mag, ist hier falsch. Wer sich bei seinen Schwiegereltern wohlfühlt, der sollte öfter kommen.

Heimmannschaft: Nachweislich ein Frankreich-Fan war anwesend. Der Rest war für Honduras – trug aber deutsche Trikots

Gästeblock: Jeder ist willkommen – solange er bloß leise ist

Stadionimbiss: Gutbürgerliche Küche, ein Spielautomat

Ersatzbank: Vor der Tür fährt die U 8 Richtung Boddinstraße und also an vielen anderen Guck-Gelegenheiten vorbei

Rote Karte: Nicht barrierefrei – Rollstuhlfahrer haben es also schwer. Veganer ebenfalls: Die Speisekarte ist eher fleischlastig