PRESS-SCHLAG
: Die Rückkehr des Loden-Kalle

Bayern-Chef Rummenige ist kein Mann für jede Jahreszeit. Die Garderobe macht den Unterschied

Insgeheim sieht sich Rumenigge in der Rolle des Propheten

Es ist wieder Lodenzeit. In München prägt die traditionelle Mode der bayrischen Metropole das Bild im Winter, und einer der herausragenden Protagonisten der Münchner Lodenszene ist seit je der Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge, der im Filzmantel stets eine hervorragende Figur abgibt. Wann immer der Mantel seine Schultern bedeckt, scheint er ihm magische Kräfte zu verleihen. Wir müssen nicht einmal in die deutsche Mythologie einsteigen, wo Alberichs Tarnkappe ihrem Träger unglaubliche Kräfte verleiht.

Ein Verweis in die amerikanischen Populärkultur tut es auch, wo ein gewisser Bruce Wayne mit schwarzen Cape vom Berufserben zum Rächer aller Entrechteten mutiert. Und so wie Batman in Zyklen auf die Leinwand zurückkehrt, um dem Recht nachzuhelfen, so ist auch Rummenigge kein Mann für jede Jahreszeit: Herbst und Winter sind reserviert für die Großtaten des Loden-Kalle.

Dabei ist auch Rummenigge ein Mann von ausgeprägten Gerechtigkeitsempfinden – etwa wenn es um die Situation der Klubs im Streit mit der Fifa geht: „Wir als Arbeitgeber können nicht mehr akzeptieren, dass uns nur par ordre de Mufti der Kalender mitgeteilt wird, dass wir die Spieler kostenlos abstellen. Gelingt uns kein Konsens, wird irgendwann eine solche Beschwerde eingereicht. Und dann gnade Gott der Fifa!“ In diesem kleinen Ausschnitt seines rhetorischen Schaffens verdichten sich alle Qualitäten des pittoresken Vorstandsvorsitzenden: Zum einen verfügt Rummenigge über detaillierte Kenntnisse der Mentalität der Gegenseite – denn Fifa-Chef Blatter ist ein gottesfürchtiger Mann. Zudem ist Rummenigge nicht nur eloquent, er ist auch jetzt ein belesener Mann: Das historische „par ordre de Mufti“ wurde von ihm eben nicht ins gängige „per order Mufti“ verkürzt. Ganz nebenbei offenbart er Kenntnisse über das islamischen Rechtswesen, was in einer Zeit, in der „der Islam zu Deutschland gehört“ (Bundespräsident Wulf), auch in München nicht verkehrt und vielleicht damit zu erklären ist, dass Rummenigge sich insgeheim in der Rolle des Propheten sieht, der im eigenen Lande wenig gilt. Doch dazu später mehr.

In Sachen Kernkompetenz ist Rummenigge ebenso ambitioniert. So schwebte er vor gar nicht langer Zeit mit flatterndem Mantel in die Münchner tz-Redaktion: „Ich glaube, wenn wir alle fit auf dem Platz haben, wird es nicht einfach für Barcelona. Dann sind wir auf Augenhöhe.“ Man stelle sich einmal vor, was im Gedächtnis der Zuhörer wie ein Echo in Schlagworten nachhallt: „Augenhöhe. Barcelona. Bayern. Bayern. Bayern“. Und auch Trainer Louis van Gaal kann sich glücklich schätzen, mit solch einem Mann zusammenzuarbeiten: So erklärte Rummenigge im Streit über die neue Nummer eins kompromisslos: „Die Aufstellung ist exklusiv Kompetenzbereich des Trainers. So steht es seit dem Bundesliga-Aufstieg 1965 mit Tschik Cajkovski in jedem Trainervertrag.“

Hier hat alles seine Ordnung. Nur in Deutschland weiß das mal wieder keiner zu schätzen. Im Ausland verfügt der Bayern-Chef nicht erst seit dem Schlager der Engländer Alan & Denise („Rummenigge, Rummenigge, all night long“) über ein hohes Ansehen. So wand ihm der englische Reporter Brian Ganville eine Girlande, die sich gewaschen hat. Und kürzlich erklärte der größte noch lebende Trainer, der Schotte Alex Ferguson, dass das Idealbild eines Fußballvereins der FC Bayern ist: „Man muss nur mal einen Blick nach München werfen, um zu sehen, wie ein Klub beispielhaft geführt wird. So sollte ein großer Klub sein.“ All die Kritiker sollten sich das vor allem im Winter hinter die Ohren schreiben. STEFAN OSTERHAUS