JÜRGEN SCHÖN über das Ende des letzten Lebensmittelladens im Kölner Stadtteil Gremberghoven

Herbert Börner liebt das Leben. Darum lacht der Lebensmittelhändler auch gerne. Selbst dann, wenn er sagt: „90 Prozent von denen, die für den Erhalt des Ladens unterschrieben haben, habe ich in den letzten Jahren nicht mehr als Kunden gesehen.“ Die Unterschriften halfen nicht. Am 23. Dezember macht der Spar-Markt in Gremberghoven dicht. „Ich höre ungern auf, aber es geht nicht anders“ Diesmal lacht Herbert Börner nicht.

Seit 22 Jahren führen „Chefin“ Christa Börner (66) und ihr 67-jähriger Ehemann Herbert das Geschäft. Boten in Spitzenzeiten 13.000 verschiedene Artikel an: Obst, Gemüse, Konserven, Milchprodukte, Tiefkühlkost, Backwaren, Putzmittel, Zeitschriften, Zigaretten, alles was ein Haushalt braucht. Inzwischen sind die Regale leerer, und die Frischfleischtheke wurde schon geschlossen. Denn mit den Jahren kamen immer weniger Kunden. An den Börners lag das sicher nicht. Vielleicht ist die „Geiz ist geil“-Mentalität schuld, die die Discounter im benachbarten Finkenberg befriedigen, ein sozialer Brennpunkt, eine kölsche Form der „Banlieue“ aus den 70er Jahren. Oder die immer weniger werdenden Bewohner bei gleichzeitigem Anstieg einkommensschwacher Familien – Seit 1996 sank die Einwohnerzahl um fast 10 Prozent auf knapp unter 3.000. Für die organisiert die evangelische Kirche regelmäßig Lebensmittelspenden.

„Ein Nachfolger für unser Geschäft stand bereit“, sagt Börner. Aber der Vermieter, die Deutsche Annington, habe die Räume nicht mehr als Ladenlokal vermieten wollen. An die Schließung der Sparkassenfiliale, von Post und Polizeiwache hat sich die Bevölkerung schon resignierend gewöhnt. Das Aus der katholischen Kirche fiel schon schwerer, heute wird sie von der überregionalen serbisch-orthodoxen Gemeinde genutzt. Bald ist also auch der letzte Lebensmittelladen für immer verschwunden.

Das trifft besonders die Älteren, immerhin – so schätzt Heinrich Nelles, 2. Vorsitzender des lokalen Bürgervereins - 40 Prozent der Gremberghovener: „Die können nicht mal so einfach über die verkehrsreiche Steinstraße nach Finkenberg.“ Zwar plante ein Investor einen Supermarkt im südlichen Zipfel der alten Eisenbahnersiedlung, dazu noch neue Reihenhäuser. Doch die Politik war dagegen: Erst müsse Finkenberg gestärkt werden. Nelles‘ Einsprüche, Protestbriefe, umfangreiche Unterschriftensammlungen und gut besuchte Veranstaltungen brachten keinen Sinneswandel.

In der Stadtverwaltung kennt man das Problem. „Wir werden versuchen, die Nahversorgung in Gremberghoven zu sichern“, heißt es im Stadtplanungsamt. Wie, könne man aber derzeit nicht sagen. Einen Hoffnungsschimmer gibt es: Gegenüber dem Spar-Markt hat Hatije Bazar einen kleinen Kiosk. Sie will ihr Angebot ausweiten, auch für die Senioren. Konserven und Brot stehen schon in den Regalen. „Ich werde es auch mit Gemüse versuchen. Und mit Salami aus Schweinefleisch“, lacht sie. Bier und Spirituosen gibt es jetzt schon reichlich.