Die Last der frühen Entlassung

Eintracht Braunschweig hat eine chaotische Hinrunde hinter sich. Nach der gestrigen 1:2-Niederlage gegen Offenbach hat sich das Team auf dem letzten Platz festgesetzt – alle Zeichen stehen auf Abstieg

Ein positiver Effekt stellte sich unter der Regie von Willi Reimann bisher nicht ein: Zwar gab es drei Remis, aber noch keinen Sieg

von Lars Geiges

111 Jahre wurde der Verein Eintracht Braunschweig vergangene Woche alt und weil die Zeiten gerade so hart sind, hätte die Mannschaft um Trainer Willi Reimann dem Club nur allzu gerne nachträglich einen Sieg geschenkt. Doch daraus wurde gestern Nachmittag nichts. Nicht einmal mehr Pfiffe hatten die Braunschweiger Anhänger nach der 1:2 (1:1)-Heimniederlage übrig. Eine lähmende Stille und die Erkenntnis, dass das Leistungsvermögen der Mannschaft kaum für den Klassenerhalt in der zweiten Liga ausreichen wird, machte sich breit.

Dabei begann das Spiel der Eintracht vielversprechend. Tobias Schweinsteiger brachte die Braunschweiger in Führung (22.), ehe Oualid Mokhtari in der 31. und Suat Türker in der 76. Minute den Gast aus Offenbach zum Auswärtserfolg und Eintracht Braunschweig noch tiefer in die Krise schossen.

Damit beenden die Niedersachsen fast vierzig Jahre nach dem einzigen Gewinn der Deutschen Meisterschaft ein vom Chaos geprägtes Fußballjahr auf dem letzten Tabellenplatz der 2. Fußball-Bundesliga. Lediglich ein Sieg glückte der Eintracht in der abgelaufenen Hinserie. Bei neun Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz erscheint die Situation beinahe ausweglos.

Begleitet wurde die sportliche Talfahrt durch ein Possenspiel innerhalb der Führungsetage, wie man es im bezahlten Fußball nur selten bestaunen kann. Nach nur drei Spieltagen wurden Trainer Michael Krüger und Manager Wolfgang Loos Anfang Oktober entlassen. Vor allem Krüger war bei den Fans beliebt. Mit ihm schaffte die Eintracht 2005 den Aufstieg aus der Regionaliga und konnte auch im ersten Zweitligajahr durchaus überzeugen.

Krügers Nachfolger, Đurađ Vasić, arbeitete nur knapp einen Monat für die Eintracht. Braunschweigs damaliger Geschäftsführer Rolf Doktor begrüßte den Abschluss des Zweijahresvertrages mit dem 50-Jährigen noch mit den Worten: „Er ist für uns der richtige Mann am richtigen Ort.“ Vasićs Bilanz bei der Eintracht: Fünf Spiele, fünf Niederlagen. Und auch seine Äußerungen über die Mannschaft sorgten für Unruhe. Vasić bezeichnete einzelne Spieler als „Pygmäen“ und betonte, dass „die ganze Mannschaft nicht in der Lage ist, den Fußball zu spielen, den man in der zweiten Liga spielen muss“. Nach genau 30 Tagen im Amt musste er wieder gehen.

Dazu kamen ständige Kommunikationsprobleme innerhalb des Vorstandes, wie bei der Entlassung des Co- und zeitweiligen Interimstrainers Willi Kronhardt. Ihm wurde vor versammelter Mannschaft gekündigt. Braunschweigs Präsident, der frühere niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski, wusste von all dem nichts und stimmte dennoch hinterher der bereits ausgesprochenen Entlassung zu.

Erst als der millionenschwere Hauptsponsor Jochen Staake seinen Ausstieg beim BTSV ankündigte, entschieden sich die Vereinsbosse zu einer Umbesetzung des Vorstandes. In einer Hauruck-Aktion formierte sich die Vorstandsetage Anfang November um. Dabei übernahm Staake selbst die Klubführung, beschnitt die Macht von Präsident Glogowski und erneuerte die sportliche Leitung. Außerdem holte er Willi Reimann aus seinem Urlaub auf die Braunschweiger Trainerbank.

Doch ein positiver Effekt unter der Regie des 56-Jährigen stellte sich im Spiel der Eintracht bisher nicht ein. Zwar gab es mit Reimann immerhin drei Unentschieden, aber noch keinen einzigen Sieg. „Wir müssen im Winter für die Offensive Spieler verpflichten“, sagt Reimann, der erkannt hat, wo die großen Schwächen seiner Mannschaft liegen: Erst zehn Tore erzielten die Niedersachsen, so wenige wie keine andere Mannschaft der Liga.

Mit dem brasilianischen Mittelfeldspieler Jales Otacilio stehen die Braunschweiger kurz vor dem Abschluss eines Vertrags, außerdem soll der mazedonische Torwart Edin Nuredinoski kommen. Reimann sagt: „Mit einer Serie kann man noch vieles verschieben in der Tabelle“. Wohl wahr. Aber den Eindruck, dass er selbst an so eine Serie glaubt, den hat man nicht.