Ideen aus der Mottenkiste

Die Autolobby fordert mehr Teer

VON KRISTINA PEZZEI

Wir leben in Zeiten des Klimawandels. Die Sommer werden heißer, die Winter kälter. Gleichzeitig drängen die Menschen vom Land in die Stadt, Luftverschmutzung und Lärmbelästigung dort nehmen zu. Die Flächenversiegelung etwa für Straßen nimmt Wasser die Möglichkeit, zu versickern, und beeinflusst so das Klima. All das hat schon begonnen, es ist höchstens noch zu verlangsamen. Und da stellen sich die Wirtschaftslobbyisten hin und rufen nach neuen Straßen und mehr Platz für Autos. Geht’s noch?!

Wirtschaft und Nachhaltigkeit sind kein Gegensatz – das beweist nicht zuletzt der Auftritt der Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast bei der Industrie- und Handelskammer (IHK). Selbst IHK-Präsident Eric Schweitzer ließ einmal vorsichtig durchblicken, dass die Wirtschaftswelt nicht untergehe, sollte die A 100 nicht verlängert werden. Wenn sich die Wirtschaftsvertreter nun hinstellen und Millionen Euro für neue Straßen fordern, fallen sie nicht nur hinter gelungene Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen zurück: Sie bedienen ein Mobilitätsbild und ein Verkehrsverständnis, das sich überholt hat.

Die Lebensqualität der künftigen Generation ist nicht mehr mit dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zu sichern. Für den Nachwuchs geht es um saubere Luft, Ruhe, gesundes Essen, ein sicheres Umfeld. Autos finden darin ihren Platz – als ein Verkehrsmittel unter anderen, wenn es spontan gebraucht wird, für den Fall, dass Fahrrad, Bus oder Bahn zu kompliziert sind.

Um zu so einem Mobilitätsbild zu kommen, muss die Verkehrspolitik jetzt die Weichen stellen: Autofahrern Straßenraum nehmen und ihn Radfahrern zuschustern, damit Gleichberechtigung sichtbar wird. Den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Die Umweltzonen so ausrichten, dass die Verursacher von Abgasen entsprechend für ihre Verschmutzung zahlen. Ampeln an den Langsamsten, den Fußgängern, ausrichten.

Das Leitbild der autogerechten Stadt hat sich überholt. Es gibt in dieser Stadt viele Wirtschaftsvertreter, die dies befürworten und vorausschauend denken. Die Dinosaurier mögen sich künftig bitteschön zurückhalten.