Jukebox

Musik für ein ganzes Leben

Musikalische Lebensabschnittspartner – die kennt und hat jeder. Das sind Platten, die einem in bestimmten Lebensphasen zur Seite stehen, die man drei Wochen lang 24 Stunden täglich hört und schließlich, ihrer überdrüssig, irgendwo verstauben lässt. Oder man stellt sie in einem diskreten Karton verpackt auf die Straße mit dem Hinweis: „Zu verschenken“. Doch es gibt auch die anderen Platten: Die, die man niemals – niemals! – hergeben würde. Die einem seit Jahrzehnten tapfer zur Seite stehen und mit denen man schon jede erdenkliche Gefühlslage durchwandert hat. Diesen Platten spricht man universelle musikalische Allgemeingültigkeit zu. Sie stimmen immer.

Eine davon ist die 1993 erschienene „Where you been“ der Indienoiseband Dinosaur Jr. Es ist das sechste der insgesamt zehn Alben, die Dinosaur Jr. innerhalb von 20 Jahren veröffentlichten. 1984 in Amherst, Massachusetts gegründet, mutierte die Band schnell zum Alleinprojekt des Sängers und Gitarristen Joseph Donald Mascis Junior, kurz J. Mascis. Zusammen mit dem Bassisten Lou Barlow und dem Schlagzeuger Patrick Murphy ging er kurz nach dem Debütalbum „Dinosaur“ (1985) auf Tournee mit Sonic Youth. Doch die Grungebewegung mit ihren karierten Flanellhemden zog an J. Mascis und Dinosaur Jr. vorüber, ohne dass sie auf der Erfolgswelle mitgeschwommen wären.

„Where you been“ ist keine Grunge-Musik, sondern eher noisiger Alternative- bzw. Indierock. Hört man die Platte, ist das so: J. Mascis spielt sich die Gefühle aus dem Leib und singt dazu mit einer Stimme, die man entweder hasst oder liebt. Oft verfehlt er dezent die Töne, die es offiziell zu treffen gilt. Sein Gesang kratzt und bricht, wechselt plötzlich in die Kopfstimme. Sein grandioses Gitarrenspiel pendelt zwischen lieblich gezupft und brachialen Riffs, passend zu den einzelnen Textzeilen, die sich auf dem gesamten Album um Beziehungen drehen. Doch sind die Texte als Ganzes gar nicht entscheidend. Stimme, Gitarren, Bass, Schlagzeug und ganz selten ein Keyboard verschmelzen zu einem Sound, der einen fühlen lässt, dass man zu Hause ist – unabhängig davon, wo man sich physisch aufhält. Und dass es okay ist, in der Stimmung zu sein, in der man gerade ist.

Wie gesagt: Diese Platte passt immer. Wer sie hat, der gibt sie nie wieder her.

Veronika Wallner