„Eine Chance, unsere Kultur zu präsentieren“

Wenn am Karnevalssonntag die mehreren tausend „Filhos de Gandhy“ durch die Straßen Salvadors ziehen, dann wirkt es, als habe es plötzlich geschneit mitten in der tropischen Hitze: Die ausschließlich männlichen Mitglieder kleiden sich ganz in weiß- blaue Tücher und tragen Turbane. Sie trommeln Ijexá-Rhythmen und singen Lieder in Yorubá aus ihrer afrobrasilianischen Religion Candomblé.

Die Karnevalsgruppe wurde 1947 von Hafenarbeitern in Salvador gegründet. Sie nannten sich nach dem indischen Freiheitshelden, um trotz ihres imposanten Auftritts pazifistisch zu erscheinen und nicht als Bedrohung. Für Tio Souza, den Sprecher der Filhos de Gandhy, hat die Weltmeisterschaft im eigenen Land die Gesellschaft in Optimisten und Pessimisten gespalten: „Wir sind verwirrt.“

Einerseits habe die Regierung viele Hoffnungen enttäuscht, die die Bevölkerung mit der Copa verband. Die öffentliche Sicherheit sei schlechter als zuvor. Auch das Versprechen, dass das Land von der Weltmeisterschaft profitieren werde – alles eher enttäuschend, meint Tio Souza: „Doch die Kritiker vergessen, dass eine Weltmeisterschaft eine gewaltige Bühne für uns ist. Eine einmalige Chance, unsere Kultur zu zeigen. Wer kennt schon diese Mischung aus afrikanischen, indianischen und europäischen Kulturen, die wir in Bahia haben? Diese Chance müssen wir nutzen! Wir müssen die Menschen willkommen heißen, so wie wir das am besten können und zu Recht stolz darauf sind.“

Sagt’s, streicht sich über den Bart, nimmt sein silbernes Hirtenstöckchen und entschwindet über den holprigen Pelourinho zum nächsten Termin.

■ Waldemar José de Souza – genannt „Tio Souza“, 67 Jahre, Sprecher der Karnevalsgruppe Filhos de Gandhy in Salvador