Frisches Geld für die Denker

Ab 2007 will Annette Schavan die Geisteswissenschaften mit Millionenbeträgen fördern

BERLIN taz ■ Geisteswissenschaftler haben allenfalls als Taxifahrer sichere Jobchancen. Dieses Vorurteil suchte das Magazin Der Spiegel mit einer Umfrage in seiner aktuellen Ausgabe zu bestätigen. Philosophen und Co suchten im Vergleich zu den Studenten anderer Fachbereiche wesentlich länger nach Jobs, die oft unbefristet und obendrein noch schlecht bezahlt seien.

Um gegen solche Vorurteile anzugehen, will das Forschungsministerium bis 2009 mehr als 60 Millionen Euro in die geisteswissenschaftliche Forschung stecken. Anlass ist das Wissenschaftsjahr 2007, in dem endlich die Geisteswissenschaften im Mittelpunkt stehen sollen – nach sieben Jahren mit naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Unter dem Motto „Geisteswissenschaften. ABC der Menschheit“ solle die Initiative Orte für Spitzenforschung schaffen und Wissenschaftlern mehr Zeit und Raum für die eigene Forschung geben, kündigte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) gestern an. Das Thema „Sprache“ soll im Mittelpunkt stehen.

Mit einem Schul- und einem Hochschulwettbewerb wolle man „die Vielfalt und Qualität dieser Wissenschaften einer breiten Öffentlichkeit präsentieren“, sagte Schavan. Mehr als 100 Partner wollen sich bisher beteiligen, darunter die Bosch-Stiftung, der Deutsche Bibliotheksverband sowie zahlreiche Universitätsinstitute, Museen und Theater.

Die Initiative könnte das schiefe Bild von den Geisteswissenschaften als unnütze und weltfremde Fächer geraderücken. Denn oft wird das schlechte Image der Dichter und Denker nicht ihrer Bedeutung auf dem Arbeitsmarkt gerecht. „Die Welt wäre ziemlich trist, würde sie nur aus Informatikern und Juristen bestehen“, sagte Ulrike Job von der Arbeitsstelle Studium und Beruf an der Universität Hamburg.

„Wer sonst soll Migranten verstehen, Zeitungen schreiben und sich um die Bildung kümmern?“, fragt Job. Geisteswissenschaftler hätten die besondere Fähigkeit, in weitem Sinne für Verständigung in der Gesellschaft zu sorgen – ob kulturell oder in den Medien. „Ihr Stellenwert ist nicht so augenfällig, aber die Politik muss die Bedeutung der Geisteswissenschaften für die Gesellschaft achten“, sagte Job.

In einer Studie des Wissenschaftsrates von Januar 2006 unterstreichen deutsche und internationale Experten die große Bedeutung der angeblich hoffnungslosen Disziplinen. Resultat der Untersuchung: Die deutschen Geisteswissenschaften seien leistungsstark und im internationalen Vergleich auf höchstem Niveau. 73 Prozent der Absolventen hätten fünf Jahre nach ihrem Abschluss eine feste Anstellung. Das Tätigkeitsspektrum der Geisteswissenschaftler habe sich mittlerweile erheblich erweitert, heißt es in der Studie weiter.

Beste Aussichten für angeblich brotlose Künste. Zumal auch die freie Wirtschaft die Qualitäten der Absolventen schätzt. Bei der Unternehmensberatung McKinsey haben Germanisten, Politologen und Historiker einen festen Platz. „Wir wollen Vielfalt und keinesfalls auf Geisteswissenschaftler verzichten“, sagt Nina Wessels, Director of Recruiting bei McKinsey. Sie könnten sich schnell in Probleme einarbeiten und ihren Standpunkt hinterfragen. „Diese Vorgehensweise schätzen unsere Klienten“, sagte Wessels.

Man setze nicht auf bestimmte Abschlüsse, sondern vielmehr auf die „Lust am systematischen Denken“. Pflicht sind allerdings sehr gute Noten und Zielstrebigkeit. „Wer heute Politik und Geschichte studiert, sollte ein konkretes Ziel vor Augen haben und sich früh mit der Berufswahl beschäftigen“, sagt Wessels. „ Zielorientierte Geisteswissenschaftler kommen immer unter.“ NICO POINTNER

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