„Endlich ist das Schwein tot“

Der Chilene Eugenio Cornejo, 49, musste 1976 mit seinen Eltern ins Exil nach Hamburg gehen, wo er bis heute lebt. Sein älterer Bruder Raúl Guillermo wurde am 16. Juli 1976 mit 29 Jahren als Führungsmitglied der linken MIR in Chile verhaftet. Eugenios Eltern waren zuvor ein Jahr lang in Haft gewesen und gefoltert worden. Von seinem Bruder hat die Familie außer einigen Aussagen von Zeugen, die ihn in den Folterzentren Villa Grimaldi und Tres Alamos gesehen haben, nie wieder etwas gehört.

taz: Herr Cornejo, was haben Sie gedacht, als Sie von Pinochets Tod erfahren haben?

Eugenio Cornejo: Meine Familie hat mich aus Chile angerufen – mir gingen viele Dinge durch den Kopf, vor allem all das, was meine Eltern für seine Verurteilung unternommen hatten, als Pinochet 1998 in London verhaftet worden war. Leider sind sie früher als der Diktator gestorben, meine Mutter 1999 hier in Hamburg, mein Vater im vergangenen Jahr im Urlaub in Chile.

Was fühlen Sie gegenüber Pinochet?

Mit den Jahren ist der Hass weniger geworden. Aber natürlich wollte ich immer Gerechtigkeit für meinen Bruder, das war mein Traum. Aber Pinochet ist ja nur ein Teil dieses ganzen Systems. Viele haben gefoltert und gemordet.

Wären Sie am Sonntag gern in Chile gewesen?

Klar, ich hätte mitgefeiert. Alle Nachbarn meiner Nichte sind auf die Straße gegangen, sie haben gejubelt, dass das Dreckschwein endlich tot ist.

Pinochet war das Symbol der lateinamerikanischen Diktatoren schlechthin. Wie verändert sein Tod den Prozess der Vergangenheitsbewältigung?

Ich hoffe, dass jetzt das Amnestiegesetz und die Verfassung der Diktatur wirklich der Vergangenheit angehören. Aber ich habe nicht viel Hoffnung in die Regierung, dass die Strafverfolgung jetzt endlich einsetzt.

Nützt der Tod Pinochets irgendjemandem?

Ich weiß es nicht. Seine Verurteilung hätte genützt … Aber ich hoffe natürlich, dass es jetzt möglich sein wird, endlich zu erfahren, wo die Verschwundenen sind. Die Militärs wissen das ganz genau, und jetzt, wo Pinochet nicht mehr da ist und sie nicht mehr loyal sein müssen, könnten sie sich öffnen und es sagen. Für meine Familie wäre das sehr, sehr wichtig.

Was sagen Sie den Leuten, für die Pinochet noch immer ein Held ist?

Was soll ich denen sagen? Es ist wichtig, dass wir der Wahrheit weiter auf den Grund gehen, damit auch diese Leute wissen, was wirklich passiert ist. Aber es sind schon jetzt nicht mehr viele, die ihn verehren. Nach all dem, was man in den letzten Jahren erfahren hat, hat sein Image auch bei seinen Anhängern sehr gelitten.INTERVIEW: BERND PICKERT