Gesundheitschip startet als Plastikhülle

In Schleswig-Holstein und Sachsen startet die elektronische Gesundheitskarte als Pilotversuch. Die steckt noch in den Kinderschuhen. Selbst Datenschutzbeauftragte sind – noch – entspannt. Ärzte kritisieren die Karte als teuer und unpraktisch

AUS HAMBURG ELKE SPANNER

Big Brother ist noch nicht nach Schleswig-Holstein gezogen, allenfalls seine kleine Schwester. Der Pilotversuch zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, der gestern in Schleswig-Holstein und Sachsen startete, testet zunächst nur einzelne Anwendungen der für 2008 geplanten bundesweiten E-Card. Von dem Gesundheitschip, wie er im Sozialgesetzbuch steht, ist er noch weit entfernt: „Es geht eher darum, nicht komplett aus dem Zeitplan rauszufallen“, mutmaßt Lukas Gundermann, Referatsleiter Gesundheit beim schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten.

Laut Gesundheitsmodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2004 sollte die Gesundheitskarte schon jetzt in allen Brieftaschen sein. Stattdessen bekommen sie vorerst einige tausend Patienten in Flensburg und Zwickau ausgehändigt. Auf diesen Karten sind neben den Versicherungsdaten des Patienten zusätzlich das Foto sowie die Versichertennummer vermerkt. Auf Dauer soll die elektronische Karte weit mehr Informationen speichern: Rezepte und Arztbriefe sowie Krankendaten der Patienten.

Um den Schutz des Arztgeheimnisses aufrechtzuerhalten, sollen die Patienten selbst darüber entscheiden können, welche medizinischen Informationen sie auf ihrem Chip festhalten wollen. Die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin, Gitta Trauernicht (SPD), erklärte gestern, dass das Speichern von Medikamentenlisten die Gefahr von Unverträglichkeiten bei Neuverschreibungen reduziere. „Notfalldaten“ könnten zudem in eiligen Fällen die richtige Behandlung ermöglichen.

Alle Arztpraxen, Kliniken und Apotheken sollen perspektivisch Terminals einrichten, um die Karten einlesen zu können. Darüber hinaus sollen die Patienten selbst Zugang zu Computern bekommen, auf denen sie alle über sich vermerkten Informationen einsehen und auf Wunsch verdecken können. Völlig unklar aber ist, wo diese Computer stehen werden und wer sie finanziert. Wegen solcher Ungewissheiten sind Datenschützer, Ärzte und Patienten skeptisch, dass die elektronische Gesundheitskarte tatsächlich praxistauglich ist.

Der stellvertretende Landesvorsitzende des Hartmannbunds in Schleswig-Holstein, Matthias Seusing, warnt, dass schon das Aufstellen der Computer für viele Ärzte unbezahlbar sei: „Wir rechnen mit Kosten zwischen 2.000 und 12.000 Euro pro Praxis.“ Der Verband, der die niedergelassenen Ärzte vertritt, hält die elektronische Gesundheitskarte zudem für völlig unpraktikabel: Um ein Rezept auszustellen, müsste der Arzt künftig parallel die Karte des Patienten und seine eigene im Computer einlesen. Es sei dann nicht mehr möglich, Rezepte vorher schon per Telefon zu bestellen, sagt Seusing: „Viele alte Menschen aber finden ihre Karte nicht auf Anhieb und brauchen trotzdem ihr Medikament.“ Auch das Argument, dass im Notfall wichtige medizinische Informationen zur Verfügung stünden, überzeugt den Arzt nicht: „Im Notfall kümmere ich mich um den Patienten und fange nicht an, auf dem Computer Karten einzulesen.“