„Die Entwaffnung schuf Vertrauen“

Peter Feith, Chef der Aceh Monitoring Mission, über das Integrationsprogramm für ehemalige Rebellen

taz: Herr Feith, Aceh und Sri Lanka waren beides Konfliktgebiete, die durch den Tsunami stark zerstört wurden. Warum konnte in Aceh nach der Katastrophe ein Friedensprozess eingeleitet werden, während in Sri Lanka der Bürgerkrieg weitergeht?

Peter Feith: In Indonesien gab es bei beiden Konfliktparteien den Willen, den Konflikt zu beenden. Der indonesische Präsident war sich klar darüber, dass er diesen Konflikt nicht militärisch gewinnen kann und war deshalb offen für internationale Vermittlungsversuche. In Sri Lanka dagegen glaubt man noch immer, eine Lösung mit militärischen Mitteln erreichen zu können.

Die Aceh Monitoring Mission, die die Entwaffnung der Rebellen und den Rückzug der indonesischen Militärs observiert hat, beendet ihren Einsatz am 15. Dezember. Was waren die größten Herausforderungen?

Am schwersten war es, die Führung der GAM-Rebellen zu bewegen, sich zu einer politischen Kraft zu transformieren. Die Verfassung erkennt ja keine Rebellengruppen an, sondern politische Parteien. Bislang gibt es keine Partei, die in der Nachfolge der GAM steht, wenngleich einzelne Kandidaten bei den Gouverneurswahlen kandidieren. Wir haben aber erst vor ein paar Tagen die Zusage seitens der GAM-Führung erhalten, dass sie innerhalb der nächsten sechs Monate eine eigene Partei gründen wollen. Das wäre dann der letzte nötige Schritt im Friedensprozess.

Sie haben von den Rebellen in Aceh 840 Waffen eingesammelt. Glauben Sie, dass die GAM vollständig entwaffnet ist?

Das Helsinki-Abkommen sah die Übergabe von 840 Waffen vor. Die letzte Phase der Entwaffnung ging vor etwa einem Jahr zu Ende. Es hat seitdem keine Hinweise auf versteckte Waffenlager gegeben. Selbst wenn die GAM gewillt wäre, ihren Kampf wieder aufzunehmen, würde sie keine Waffenlager anlegen, sondern sich kurzfristig mit Waffen aus den Nachbarländern versorgen. Ich glaube wirklich, dass sie alle Waffen übergeben haben. Und das Wichtigste war das Vertrauen, das die Entwaffnung für den Friedensprozess gebracht hat. Als sie sahen, wie die Waffen zerstört wurden, haben die Acehnesen sich wieder sicher gefühlt.

Der Friedensprozess steht und fällt mit dem Grad der Integration ehemaliger GAM-Kombattanten in die Gesellschaft. Wie ist die Situation der amnestierten politischen Häftlinge, aber auch der aus dem Hinterland in ihre Dörfer zurückgekehrten Kämpfer?

Wir müssen hier zwischen unterschiedlichen Gruppen von Betroffenen unterscheiden. Es hat zwar lange gedauert, aber inzwischen hat die indonesische Regierung 7,5 Millionen US-Dollar für Reintegrationsprogramme für ehemalige GAM-Kombattanten freigegeben. Die ehemaligen politischen Gefangenen werden von IOM unterstützt. Ich denke, bis Mitte nächsten Jahres haben die Hilfen das im Helsinki-Abkommen vereinbarte Maß erreicht. Dann sind da noch die mehreren tausend zivilen Konfliktopfer, deren Häuser durch den Konflikt zerstört wurden. Hier hilft wiederum die Weltbank. Längerfristig sollten wir jedoch von diesen Kategorisierungen wegkommen. Dafür muss der Wiederaufbauprozess nach dem Tsunami enger mit dem Post-Konflikt-Wiederaufbau verschränkt werden.

Es heißt, dass bislang nur etwa 20 Prozent der ehemaligen Guerillas Arbeit gefunden haben und dass die unsichere wirtschaftliche Situation ein hohes Risiko für den Frieden birgt.

Das ist richtig und es ist Teil eines größeren Problems. Acehs Ökonomie ist durch den Tsunami schwer beschädigt worden und es braucht längerfristige Bemühungen dafür.

INTERVIEW: ANETT KELLER