Nicht so leicht, an einem Strang zu ziehen

G-7-GIPFEL Chefs der Industriestaaten grübeln über Zukunftsstrategien. Widerstreit der Interessen

Die Europäer fürchten vor allem um ihre Energieversorgung

BRÜSSEL taz | Während EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstagnachmittag schon den neuen Negativzins für die Eurozone bekannt gab, brüteten die Staats- und Regierungschefs der in der Gruppe der sieben (G 7) versammelten Industrieländer in Brüssel noch über ihren Plänen für die Weltwirtschaft.

Das allerdings war nicht so einfach, die Interessen gehen weit auseinander: Frankreich stänkert gegen den starken Euro. Italien will die Nachfrage stimulieren. Die USA fordern Sanktionen gegen Russland, die könnten jedoch auf die europäische Wirtschaft zurückfallen.

Und Deutschland? Möchte am liebsten, dass alles so bleibt, wie es ist. Nach einer Delle wegen der Ukrainekrise und der ersten Welle von Sanktionen gegen Russland verzeichneten Industrieunternehmen zwischen Flensburg und Basel im April mehr Aufträge als erwartet. Deutschland könnte wieder Wachstumslokomotive werden.

Wenn da nicht die Ukraine und Russland wären: Mögliche neue Sanktionen gelten derzeit weltweit als das größte makroökonomische Risiko. Denn sie könnten russische Vergeltungsmaßnahmen auslösen.

Die Europäer fürchten vor allem um ihre Energieversorgung. Deshalb konzentrierte sich die G 7 auf mögliche Schutzmaßnahmen: Sie beauftragte die Internationale Energieagentur, zusammen mit der EU-Kommission bis Ende 2014 Vorschläge vorzulegen, wie die G 7 eine größere Sicherheit bei der Gasversorgung erreichen könne. Außerdem wollen die Staats- und Regierungschefs gemeinsam über wichtige Infrastruktur, Transportwege und Versorgungsketten nachdenken.

Dahinter steckt der Wunsch, einen möglichen russischen Lieferstopp im nächsten Winter zu konterkarieren. „Energieversorgung als politisches Druckmittel oder zur Bedrohung der Sicherheit einzusetzen ist nicht hinnehmbar“, hieß es in einem Gipfel-Entwurf. Die Ukrainekrise habe sehr deutlich gemacht, dass Reformen nötig seien, um die Versorgung zu diversifizieren und die Infrastruktur zu erneuern.

Doch das braucht Zeit – genau wie die Überwindung der Eurokrise. Die Erholung sei noch „zögerlich“, sagte der französische Staatschef François Hollande am Ende des Gipfels. Die G 7 müsse ihr Hauptaugenmerk auf Wachstum und Beschäftigung richten.

Ausdrücklich begrüßte Frankreichs Präsident die EZB-Entscheidung, die Leitzinsen unter null zu senken. Kanzlerin Angela Merkel wollte sie hingegen nicht kommentieren – schließlich sei die EZB unabhängig.

Während die Bundesregierung mit der wirtschaftlichen Lage sehr zufrieden ist, lässt sich das von der Geldpolitik nicht so klar sagen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum es auch bei diesem G-7-Gipfel keine verbindlichen Beschlüsse zur Wirtschaftspolitik gab. ERIC BONSE