Freigänger flüchtig

JUSTIZ Grüne Ministerin verteidigt die Idee der Resozialisierung

Niedersachsens grüne Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz wehrt sich gegen Vorwürfe, ihr Ministerium habe die Öffentlichkeit nicht frühzeitig vor der Gefahr durch einen Gewalttäter gewarnt. Auch für Menschen in Sicherungsverwahrung gelte das vom Europäischen Gerichtshof festgeschriebene Ziel der Wiedereingliederung in die Gesellschaft, machte die Ministerin am Mittwoch in Hannover deutlich.

Im Fall des flüchtigen Reinhard Rühs hatte besonders die CDU-Opposition Niewisch-Lennartz kritisiert. Der 51-Jährige, der sich nach Verbüßen einer Haftstrafe auf unbefristete Zeit in Sicherungsverwahrung befand, war nach einem unbegleiteten Ausgang am Sonntag nicht wie erwartet in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Lingen zurückgekehrt. Er soll bereits am Freitag ein 13-jähriges Mädchen sexuell missbraucht haben.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe sei sofort intensiv nach dem Mann gesucht worden, betonte die Ministerin. Dabei seien auch Zielfahnder zum Einsatz gekommen. Erst als diese nicht erfolgreich waren, hätten sich die Polizei und Staatsanwaltschaft zu einer öffentlichen Fahndung entschlossen.

Fragen, warum Rühs als Sicherungsverwahrter überhaupt die JVA verlassen durfte, wies Niewisch-Lennartz zurück, warb stattdessen für den Resozialisierungsgedanken. Insgesamt gebe es in Niedersachsen nur 42 Menschen in Sicherungsverwahrung. Davon seien lediglich 13 in Lingen in sozialtherapeutischer Behandlung. Nur diesen werde bei entsprechendem Therapieerfolg und einer positiven Prognose durch zwei Gutachter ein unbegleiteter Ausgang gewährt. Die Aufgabe der Gutachter sei allerdings schwierig, räumte die Ministerin ein: „Herauszufinden, wann lügt jemand, wann lügt er nicht, das ist eine der größten Herausforderungen der Gutachter.“  ANDREAS WYPUTTA