Köder Anwalt, Beute Journalisten

Staatsanwalt hört El Masris Anwalt ab. Interessant findet er nur Gespräche mit Medien

FREIBURG taz ■ Der Skandal um die Abhöraktion bei Khaled El Masris Anwalt weitet sich aus. Mehrere Monate wurden die Telefone beim Ulmer Rechtsanwalt Manfred Gnjidic überwacht, doch die Staatsanwaltschaft interessierte sich fast nur für die Gespräche mit Journalisten. „Damit wurde nicht nur die anwaltliche Sphäre, sondern auch die Pressefreiheit verletzt“, sagte Gnjidic gestern zur taz.

Seit Januar 2006 wurde das Telefon in Gnjidics Kanzlei, sein Handy und das (auf seinen Namen gemeldete) Handy seiner Frau abgehört. Die Maßnahme war auf Antrag der Münchener Staatsanwaltschaft vom dortigen Amtsgericht angeordnet und nach drei Monaten verlängert worden. Gnjidic wurde erst im Juni nachträglich über die Aktion informiert.

Als Begründung gab die Staatsanwaltschaft an, man habe auf eine Kontaktaufnahme der Entführer El Masris spekuliert. Der Deutschlibanese Khaled El Masri war Ende 2003 aus bisher unbekannten Gründen für ein halbes Jahr von der CIA verschleppt worden. Die Ankläger hofften auf einen Drohanruf oder das Angebot eines Deals, um El Masri zum Schweigen zu bringen. Dabei hätten sie die Nummer des Anrufers identifizieren und die Stimme analysieren können, so ihre Rechtfertigung. Anwalt Manfred Gnjidic sei nicht eingeweiht worden, damit er sich natürlich verhalte.

Die Begründung ist nicht abwegig. Immerhin hatte Gnjidic selbst nach der Rückkehr El Masris eine solche Abhöraktion bei seinem Mandanten vorgeschlagen. Sie wurde mit El Masris Wissen durchgeführt, ein CIA-Anruf erfolgt aber nicht. Dass nun ein Jahr später auch Anwalt Gnjidic abgehört wurde, erklärten die Ermittler mit dem inzwischen massiven Medieninteresse, das doch noch zu einer Reaktion der CIA hätte führen können.

Gnjidic hatte jedoch von Beginn an einen anderen Verdacht: „Damals begann gerade die Diskussion, ob ein Beamter des Bundeskriminalamts an der Entführung beteiligt war“, erinnert sich Gnjidic, „vermutlich wollten die Staatsanwälte wissen, was Journalisten mir über ihre Recherchen nach diesem deutsch sprechenden Mann namens ‚Sam‘ erzählen.“ Inzwischen ist es sicher, dass sich die Staatsanwaltschaft vor allem für Gespräche mit Medienvertretern interessierte. Nur sechs von tausenden Telefonaten wurden für die El-Masri-Verfahrensakten als „relevant“ erachtet und abgetippt, eines davon führte der Anwalt mit seinem Mandanten El Masri, alle fünf anderen mit Reporten von Stern und ZDF.

Gnjidic hat bereits im September gegen die Abhöraktion Verfassungsbeschwerde eingelegt. Zuvor hatte das Landgericht München die Anordnung der Maßnahme akzeptiert und nur deren Verlängerung im April als unverhältnismäßig eingestuft. In der Begründung erwähnte das Landgericht, dass es ja mehrere relevante Telefongespräche gegeben habe.

Gemeint waren die Telefonate mit Journalisten, deren Mitschriften so überhaupt erst bekannt wurden. „Mein Anschluss wurde wohl zu einer Abhöraktion missbraucht, die eigentlich den Journalisten galt“, vermutet der Anwalt. CHRISTIAN RATH

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