RED BULL MIT WODKA
: Haben wir gefeiert!

Jemand stiftete Sanddornsaft, ein anderer Biospekulatius

Eine Handvoll Cornflakes mit Schokoüberzug (die Packung spiegelt Vollmilch vor) liegt auf dem Tisch. Reste eines Kaffee- und-Kuchen-Nachmittags für meine Freunde. Ihre Kinder waren da und schlugen ihre unförmigen Köpfe gegen nicht kindergerechte Tische. Jemand stiftete Sanddornsaft, ein anderer Biospekulatius, ungenießbar.

Was haben wir früher gefeiert! Die Form der Schokoflakes erinnert mich an Pralinen, die mein ehemaliger Mitbewohner in den Nullerjahren im Friedrichshain aus dem Ofen zog. „Achtung! Ich würde nicht zu viele auf einmal zu mir nehmen“, warnte er. Die Dinger waren mit Haschisch verfeinert. Bekanntlich löst sich THC nur in Fett, und Hasch pur schmeckt grässlich. Mit der Schokolade und den krokanten Cornflakes aber verband es sich zu einem – wäre ich Fernsehkoch, würde ich sagen – sternewürdigen Mundgefühl. Wieso sehe ich in letzter Zeit nur noch Kochsendungen? Nachts, nachdem ich nach Hause getorkelt bin, die Treppen hinaufgerobbt, empfangen mich die bräsigen Sprüche von Alfons Schuhbeck oder das Gicksen von Johann Lafer.

Was haben wir früher gefeiert. Als Berlin noch kein Promiabwurfplatz war. Kein Problemkiez. Als mir der Mitbewohner zartschmelzende Haschflocken reichte, auf nüchternen Magen, vor dem Kino. Der Film ging über die schlimmsten Momente einer Militärdiktatur. Folter, Vergewaltigung, Mord. Ich fand alles nur komisch und lachte. Es dauert nicht lange, bis mich der Platzanweiser rauswarf. Ich soll krakeelt und eine Cola über den Plüsch verschüttet haben.

Was haben wir früher gefeiert. Gestern tippelte ich durch den Sprühregen am Kottbusser Tor. Es war mein Geburtstag, und keiner wusste es. Zwei Punkerinnen mischten Red Bull mit Wodka. Ich muss wohl sehr lange auf den Plastikbecher gestarrt haben. Sie boten mir einen Schluck an.

TIMO BERGER