Privathochschule auf Sinnsuche

Wer kommt nach Konrad Schily? Nach dem Rückzug ihres Gründungspräsidenten will die Privatuniversität Witten-Herdecke ein neues Leitbild erarbeiten. Bis zum 25. Geburtstag im nächsten Jahr soll es fertig sein. Unileitung schließt höhere Studiengebühren nicht grundsätzlich aus

„Ich sehe die bisherigen Werte der Uni nicht allein durch betriebswirtschaftliche Führung gewährleistet“

Den Streit mit dem Wissenschaftsrat um die medizinische Ausbildung hat Witten-Herdecke gerade noch überstanden. Dachte man. Aber von wegen: Die Privatuni muss doch noch einen Preis zahlen. Mitte November hat Konrad Schily das Direktorium verlassen. Am Ende blieb nichts außer einer knappen Presseerklärung, in der es hieß, dass der legendäre Gründungspräsident der Uni „weiterhin verbunden“ bleibt.

Der heutige FDP-Bundestagsabgeordnete und Bruder von Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte dafür plädiert, gegenüber dem Wissenschaftsrat nicht nachzugeben und die Medizinerausbildung als eben nicht reformbedürftig, sondern gerade besonders gut zu verteidigen. Die Uni folgte ihm nicht, sondern legte ein neues Konzept vor, nach dem der humanmedizinische Studiengang nicht zuletzt mit Landesunterstützung massiv ausgebaut wird.

Schily war verstimmt. „Ich hoffe, dass die Uni nicht Kröten schlucken musste, die sie nicht verdauen kann“, gab er sich noch im Juli gegenüber der taz diplomatisch. Im November trat er schließlich zurück, wegen „unterschiedlicher Auffassungen über die weitere strategische Ausrichtung“, wie die Uni kurz und knapp verlautbaren ließ. Mehr will sie nicht dazu sagen.

Anders als Schily, der sein Lebenswerk angegriffen sieht. „Ich sehe die bisherigen Werte der Uni nicht allein durch betriebswirtschaftliche Führung gewährleistet“, so Schily jetzt zur taz. Zum Beispiel habe er die Studierenden immer als Partner gesehen, nicht als Kunden. So hatte Schily einst als Präsident in Witten Studiengebühren durchgesetzt. Er bezog die Studierenden in die Entscheidungsfindung ein. „Das war ein langer Prozess“, betont er noch heute.

Das Konzept wirkt bis heute. Wie an kaum einer anderen Hochschule identifizieren sich die Studis mit ihrer Uni. In Witten-Herdecke werde eine „fast schon Humboldtsche Allgemeinbildung“ gelehrt, schwärmt zum Beispiel Konrad Siller, studentischer Vertreter im Senat. „Ich bin mit der Uni sehr zufrieden“.

Andernorts organisieren ASten Klagen gegen Studiengebühren, in Witten-Herdecke sind es die Studierenden selber, die über eine „Studierendengesellschaft“ die Gebühren einziehen und verwalten. Deren Vertreter sprechen auch lieber von „Beiträgen“ als von Gebühren, das Modell nennen sie den „umgekehrten Generationenvertrag“. 30.000 Euro kostet ein komplettes Studium, wobei das Geld erst nach dem Studium bezahlt werden kann. Dann allerdings werden 10 Prozent des eigenen Einkommens fällig. Wer viel verdient, zahlt also mehr, maximal jedoch 60.000 Euro.

Das muss aber nicht so bleiben. „Es gibt Überlegungen, ob man die Gebühren erhöht“, bestätigt Sprecher Bernd Frye, „aber keine genauen Planungen“.

Jetzt soll erst mal diskutiert werden. Nächstes Jahr wird die Uni 25 Jahre alt, bis dahin wollen sich Unileitung und Studierende auf ein neues Leitbild einigen. Letzte Woche fand dazu eine Vollversammlung statt, auf der das Projekt den Studierenden vorgestellt wurde.

Wie sich die Uni ihrer Meinung nach entwickeln sollte, will die Leitung aber noch nicht verraten. „Das ist ein ergebnisoffener Prozess“, so Sprecher Bernd Frye. Auf studentischer Seite wird schon fleißig diskutiert. Es sei aber noch zu früh, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, findet Konrad Siller, studentischer Vertreter im Senat. „Es ist aber nicht so, dass wir keine Vorstellungen haben“, betont er. Nur eins findet er schade: Dass Konrad Schily nicht mehr dabei ist. Der wird den Witten-Herdeckern aber garantiert über die Schultern schauen: Sein Wahlkreisbüro hat er in der Universität eingerichtet. DIRK ECKERT