HAMBURGER SZENE VON MAXIMILIAN PROBST
: Fade Fiktionen

Hier protestiert ein Künstler gegen den im Volksmund „Weihnachten“ genannten winterlichen Konsumrausch

Manchmal gibt der Blick aus dem Fenster Rätsel auf. Als ich hinausschaute, sah ich, wie ein Mann im Haus gegenüber ans Fenster trat und einen Weihnachtsbaum auf die Straße schmiss. Mein erster Gedanke galt der Kunst: Hier protestiert ein Künstler gegen den im Volksmund „Weihnachten“ genannten winterlichen Konsumrausch.

Zu diesem Zweck wäre es allerdings dienlicher gewesen, klein anzufangen, mit dem 1. Dezember, ein Stück nach dem nächsten herauszubefördern, am 24. die Spitze samt Stern. Der Mann musste also im Gegenteil ein Weihnachtsbegeisterter sein. Einer, der sich den Baum genauso früh in die Wohnung gestellt hat, wie die Weihnachtsmänner in den Läden kommen. Nun rieseln die Nadeln, er wirft ihn aus dem Fenster und schafft sich einen neuen an. Während ich auf diese Weise grübelte, trat der Mann erneut ans Fenster und warf einen zweiten Baum heraus.

Da erst sah ich auf der Straße die Kameramänner stehen. Es wurde offenbar eine nachweihnachtliche Sendung vorproduziert, und die Szene musste mehrmals gedreht werden, bis sie saß. Wahrscheinlich ist der Mann noch öfter ans Fenster getreten, den Weihnachtsbaum in der Hand. Aber das interessierte mich nicht mehr, ich legte mich zurück ins Bett und döste über dem Gedanken ein, wie fade doch die wirkliche Fiktion mal wieder war.