Letzte Bastion wider die TV-Moderne

Westpol-Moderator Harald Brand geht in Rente. Hoffentlich bleibt seine Sendung weiter verschnarcht

Natürlich hat sich Harald Brand auch bei seinem letzten Satz vor laufender Kamera verhaspelt. „Na dann, bis irgendwann, oder, na ja, ein anderes Mal, bis dann“, sprach er am Sonntagabend in sein Mikrofon. Abspann. Tagessschau. So geht ein Großer.

41 Jahre hat Harald Brandt beim WDR gearbeitet. In neun Tagen wird er 65, und pünktlich zum Geburtstag verabschiedet er sich in dem Ruhestand. Wäre ja noch schöner, wenn er freiwillig länger gearbeitet hätte. Jetzt läuft alles geordnet ab, das passt. Keine Überraschungen: So einen wie Harald Brandt nennt man wohl auch deshalb eine Stütze des Senders. Zum Abschied war Noch-Intendant Fritz Pleitgen im Studio. Beide waren mal Korrespondent in Moskau, sie verbindet ein Faible für Russland. Harald Brands Wort dafür wäre wohl: ein „Steckenpferd“.

Harald Brand hat Heimatfernsehen gemacht. Er hat es geschafft, mit einem verschnarchten landespolitischen Magazin spektakuläre Quoten zu erzielen. Im Schnitt 800.000 Menschen schalteten ein, viele davon älter als der Moderator. Warum? Weil Westpol den Nordrhein-Westfalen Identität stiftete, ungefähr so wie der Musikantenstadl den Bayern. „Ich bedanke mich für Ihr Vertrauen“, hat Harald Brand seinen Zuschauern zum Schluss gesagt.

Politik in Westpol war beruhigend. Hier und da ein paar Scharmützel, ansonsten solide Statik. Und die Illusion von Neutralität, vermittelt in Beiträgen nach dem Baukastenprinzip mit paritätisch verteilten O-Tönen: Einstieg mit Betroffenen, Schnitt, Zitat Regierung, Schnitt, Zitat Opposition, Schnitt, Ausstieg mit Betroffenen. Und dann die klassische Harald-Brandt-Abmoderation: Ein glucksendes Lachen, „hmhmhmhmpfff“. Dann schnell weiter zur nächsten Anmoderation: zielstrebig den jeweils nahe liegendsten Kalauer mitnehmen, im ihn genauso zielsicherer mit einem Stottern versieben. Das war herrlich altbacken, so wie es sich für einen Chefredakteur der WDR-Landesprogramme gehört. Nur dass dieser Mann als Chef mit Begeisterung seine Mitarbeiter gequält haben soll, passt nicht ins Bild.

Zum Abschied haben die WDR-Kollegen Harald Brand einen Film geschenkt. Man sieht den Meister in Interviews mit Gerhard Schröder und Edmund Stoiber – nicht sein Metier. Authentischer wirkte er, wenn es um eines seiner Lieblingsthemen ging: Den Dauerstau auf den Straßen in NRW. Natürlich war der auch Thema in seiner Abschiedssendung.

Gerne hätte man sich vorgestellt, dass Brand genauso ewig bliebe wie das Chaos auf den Autobahnen. Gemütlich, ein Sedidativum vor dem Tatort, ein Spiegelbild zur Vergewisserung der eigenen Mittelmäßigkeit.

Mit Gabi Ludwig und Sabine Scholt werden nun zwei Frauen das Kommando im WDR-Fernsehen und bei Westpol übernehmen. Es steht zu befürchten, dass sie einiges anders machen als Brand, dass sie eine der letzten Bastionen wider die TV-Moderne schleifen. Wenn es ganz schlimm kommt, wird aus Westpol sogar ein zeitgenössisches, böses Politik-Magazin mit allem Schnickschnack. Für Zuschauer und Landespolitiker wäre das beunruhigend, geradezu stressig.

Harald Brand hat am Sonntag sinngemäß gesagt, dass er auf Kontinuität hofft. 800.000 Nordrhein-Westfalen hoffen mit.KLAUS JANSEN