LESERINNENBRIEFE
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Sache der Eltern

■ betr.: „Reflektierter Fleiß“, Kultur + Gesellschaft vom 8. 12. 10

Vier von fünf Pisa-Siegern kommen aus Asien, stellt Christian Füller fest und meint, die Deutschen brauchten darauf nicht eifersüchtig zu sein. Denn die deutsche Bildungstradition enthielte beide Erfolgsfaktoren: das Pauken und das spielerische Lernen. Damit sei „alles“ da. Übersieht er dabei nicht das Wichtigste: „die“ Lehrer? Welche pflegen denn hier einen partnerschaftlich und freundlichen Umgang mit „den“ Schülern oder Eltern?

In Schleswig-Holstein fiel auf Anordnung des Bildungsministeriums am vergangenen Montag landesweit der Unterricht aus … und alle interviewten Schulleiter aus Bad Segeberg meinten, der daraus resultierende Betreuungsnotstand sei Sache der Eltern. Wäre diese Geisteshaltung bei den Pisa-Siegern auch in Asien oder Finnland denkbar? MARGRET BONIN, Bad Segeberg

Leider nur Leerformeln

■ betr.: „Menschen werden nie langweilig“, sonntaz vom 12. 12. 10

Schade, das Interview mit Margarete Mitscherlich klang vielversprechend, der Inhalt war es leider nur begrenzt. Richtig ärgerlich waren dabei die Plattitüden zum Thema „Islam und Psychoanalyse“. Dabei war die Frage nach der Externalisierung von Konflikten in engen Beziehungen übertragen auf die Gesellschaft und die wachsende Islamophobie eigentlich sehr spannend. Statt einer Antwort darauf kamen aber leider nur Leerformeln über „den“ Islam, die dann von den beiden InterviewerInnen noch bestärkt wurden, à la „Funktioniert die Psychoanalyse eigentlich im Islam?“

Und da stellt sich mal wieder die Frage, von welchem Islam wird hier eigentlich geredet und vor allem, was kennzeichnet diesen sogenannten „traditionellen“ Islam? Ist damit die Tradition des größten muslimischen Lands der Welt (Indonesien, 200 Millionen) gemeint? Wohl nicht. Wahrscheinlich auch nicht die der Muslime in Bangladesch (140 Millionen). Sondern wohl wieder mal nur die „üblichen Verdächtigen“, die so schön ins Bild passen, aber leider zahlenmäßig nicht ganz so mithalten können. Ich bin dieser Verallgemeinerungen, gerade in der taz, wirklich überdrüssig.

Erstens: Abgesehen von den Ressentiments gegenüber Psychoanalyse, die auch hierzulande noch durchaus verbreitet sind, ist Psychotherapie jeglicher Art in Ländern ohne ausgeprägtes Gesundheitssystem quasi ein Luxusgut. Das fängt schon in Europas Peripherie an.

Und zweitens: Sind zum Beispiel Christen aus dem Bible Belt oder Pfingstler aus Deutschland oder Südkorea qua Religion der Psychoanalyse aufgeschlossener? Ein hermetisch abgeriegeltes Weltbild, wozu auch nichtreligiöse Ideologien zählen können, ist immer ein massives Hindernis der eigenen Infragestellung, das wird jedEr PsychoanalytikerIn bestätigen. FREDERIK HOLST, Berlin

Dümmer als die Chinesen

■ betr.: „Verleihung ohne Preisträger“ und weitere Artikel, „Solidarität mit Wikileaks“, taz vom 11. 12. 10

Der Sitz von Liu in Oslo ist leer, und überall tönt es, China ist „politisch dumm“, „arrogant“, „kein Respekt für Menschenrechte“. Das ist sehr nett gesagt. Der Stuhl von Assange ist gar nicht aufgestellt, er muss erst mal ins Gefängnis, und viele von denen, die Krokodilssabber vertropfen im Fall Liu, bemerken nicht, wie total bescheppert die Menschenrechte achtenden US Guys inklusive Mastercard, PayPal, Visa reagieren; vielleicht noch dümmer als die Chinesen, weil sie schon bei so etwas die Hosen so voll haben, dass sie ihre Macht ausspielen müssen. Solche Unternehmen sollten wir nicht benötigen, die uns beim ersten Kitzeln kicken. TOBIAS LANGE, Hamburg