Kraftvolle Waffen

ÜBERWACHT UND DRANGSALIERT Der Dokumentarfilm „Die Akte: USA gegen John Lennon“ liegt jetzt als DVD vor

Erst nach Nixons Rücktritt im Jahr 1974 hörte die Drangsalierung auf. Zwei Jahre später bekam Lennon seine Green Card, vier Jahre später wurde er vor seinem Haus erschossen

Damals, in den internetlosen 70ern, hatten die CIA-Agenten noch richtig was zu tun: Verdächtig subversive Texte habe man beim Konzert per Hand mitpinnen müssen, erzählt ein einst zu Musik spionierender Zeitzeuge im soeben auf DVD erschienenen Film „Die Akte: USA gegen John Lennon“, um dann später etwas gegen mutmaßliche Politaktivisten und Regierungsfeinde vorbringen zu können.

Weil John Lennon sich nach den Beatles-Jahren politisch radikalisierte und in der Friedensbewegung engagierte, wurde er viele Jahre lang in den USA als „high profile figure“ eingeschätzt. Anfang 1971 etwa spielte Lennon den Song „It ain’t fair, John Sinclair“ auf einer Solidaritätsveranstaltung für den Aktivisten Sinclair, der wegen zweier Joints im Gefängnis saß. So etwas konnte schon mal das FBI hellhörig werden lassen. Die Bürgerrechtsbewegung war auf ihrem Höhepunkt und sang sich aktiv in die Politik: Drei Tage nach dem Konzert für Sinclair wurde dieser aus der Haft entlassen. Und Lennon merkte, dass sein Telefon abgehört wurde: „Wenn Yoko und mir etwas passiert, ist das kein Zufall“, sagt er in der Dokumentation. Der Film von David Leaf und John Scheinfeld erzählt von der angst- und hasserfüllten Überwachungsatmosphäre der späten 60er und frühen 70er Jahre, der wachsenden Antivietnamkriegsbewegung und von Lennons Rolle als politischem Künstler.

Die Revolution ist gescheitert, na und, ruft Lennon in dieser Zeit bei einem Konzert, machen wir trotzdem weiter! Lennon und Ono nutzten die Öffentlichkeit, die sie bekamen, aber sie wurden auch benutzt: „Sie waren in den Händen der Bürgerbewegung kraftvolle Waffen“, nennt das ein Ex-Agent. Man erlebt die beiden bei TV-Gesprächsrunden mit Black-Panther-Mitgliedern, etwas später wollte man die beunruhigend stille Japanerin und den quatschenden Briten nur noch loswerden: 1972 wurde dem Wahl-New-Yorker Lennon eine „deportation note“ mit Strafandrohung zugestellt.

In der soliden, konventionell mit Talking Heads und Archivmaterial strukturierten und nie tendenziösen Doku schildern ehemalige Black-Panther-Mitglieder, Friedensaktivisten, FBI-Angestellte, Künstler und Ex-Gouverneure ihre Erfahrungen mit dem System: „Patriotism ist the last refuge of a scoundrel“, zischt der Autor Gore Vidal in Richtung des ehemaligen Präsidenten. Die Ausweisung konnte Lennons Anwalt jahrelang anfechten, aber erst nach Nixons Rücktritt 1974 hörte die Drangsalierung auf. Zwei Jahre später bekam Lennon seine Green Card, vier Jahre später wurde er vor seinem Haus erschossen. Einen Zusammenhang zwischen der Tat und den Bemühungen des FBI stellen heute nur noch irre Verschwörungstheoretiker her.

JENNI ZYLKA

■ „Die Akte: USA gegen John Lennon“. Regie: David Leaf, John Scheinfeld, USA 2006, 96 Min.