Haltepunkt im Geisterbahnhof

EU-RICHTLINIEN Nur ein Jahr nach Fertigstellung wird der Bahnhof Gartenholz in Betrieb genommen

Nach Jahr und Tag ist es soweit: Am morgigen Sonntag wird der Geisterbahnhof Ahrensburg-Gartenholz in Betrieb genommen. Seit November 2009 steht er unbenutzt an den Gleisen zwischen Hamburg und Lübeck, weil EU-Vorschriften nicht oder unzureichend beachtet wurden. Die Kachelung der Bahnsteige, die Anzeigetafeln, die Beleuchtung, die Fahrkartenautomaten – alles hätte der Transeuropäischen Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung entsprechen müssen. Tat es aber nicht.

Es sei nicht klar gewesen, „welche Vorschrift in welcher Tiefenschärfe angewendet werden muss“, räumte Stefan Schott vom Ahrensburger Bauamt im Oktober gegenüber der taz nord ein. Die Stadt hatte von der Bahntochter Station & Service die Projektleitung übernommen und den Bahnhof samt Park+Ride-Platz, überdachten Radabstellanlagen und einer Brücke für Fußgänger und Radler für knapp acht Millionen Euro gebaut. Gartenholz, offiziell nur eine Haltepunkt für Regionalbahnen, liegt aber an der Vogelfluglinie nach Dänemark. Als erster Neubau fiel er deshalb unter die strengen EU-Standards für grenzüberschreitende Strecken, obwohl hier nie ein EC oder ICE halten wird.

Das Eisenbahnbundesamt hat nun erhebliche Nachbesserungen am Bahnhof akzeptiert. Deshalb werden mit dem Fahrplanwechsel am Sonntag nun alle 30 bis 60 Minuten die Regionalbahnen der Linie Hamburg – Bad Oldesloe dort halten und Pendlerströme binden: Im Westen liegt der Stadtteil Gartenholz mit rund 4.000 Menschen, im Gewerbegebiet östlich der Bahn arbeiten fast 10.000 Menschen, größter Arbeitgeber ist die Zeitungsdruckerei des Springer-Konzerns. In 22 Minuten geht es künftig zum Hamburger Hauptbahnhof.

„Wir haben alle unterschätzt, was EU-Recht bedeutet“,sagt Dennis Fiedel von der Landesverkehrsservicegesellschaft (LVS), die im Auftrag Schleswig-Holsteins den öffentlichen Nahverkehr im Land plant: „Jetzt wissen wir es.“ SVEN-MICHAEL VEIT