Pakistan will Frauen besser schützen

Neue Gesetzgebung ermöglicht Vergewaltigungsklagen vor Zivilgerichten. Während Frauen bis dato vier männliche Zeugen für eine Vergewaltigung beibringen mussten, gelten nun auch medizinische Beweise. Islamische Parteien protestieren

AUS DELHI BERNARD IMHASLY

Ein neues Gesetz, mit dem vergewaltigte Frauen in Pakistan mehr Klagemöglichkeiten erhalten sollen, spaltet derzeit die politischen Lager. Nach monatelangem Aufschieben wurde in dieser Woche das umstrittene Frauenschutzgesetz verabschiedet. Während die Regierung von einem „historischen Schritt“ spricht, warnen die islamischen Parteien vor einer „säkularen Verschwörung“. Pakistan werde zur „Zone des freien Sex“, so Fazlur Rahman, Fraktionschef der islamischen Parteien (MMA), die der Abstimmung fernblieben.

Mit dem neuen Gesetz fällt Vergewaltigung als Straftatbestand in die zivile Gerichtsbarkeit, während bislang Scharia-Gerichte dafür zuständig waren. Das Gesetz ermöglicht die Eröffnung von Gerichtsverfahren aufgrund einer Polizeiklage der betroffenen Frau und sieht die Beachtung forensischer und medizinischer Indizien vor.

Damit stellt das Gesetz lediglich die internationalen Menschenrechtsnormen wieder her, die Pakistan 1979 außer Kraft gesetzt hatte. Damals hatte Militärdiktator Zia al-Haq eine islamische Gesetzgebung eingeführt, die ein Gerichtsverfahren nur zuließ, wenn die vergewaltigte Frau mindestens vier männliche Zeugen beibringen konnte – ansonsten riskierte sie, des Ehebruchs angeklagt zu werden.

Tausende von Frauen sind seitdem als Untersuchungshäftlinge im Gefängnis gelandet, als doppelte Opfer männlicher Gewalt und patriarchalischer Normen. Unzählige zogen es vor zu schweigen, um nicht selbst zu Angeklagten zu werden. Weltweite Berühmtheit erlangte deshalb das Vergewaltigungsopfer Mukhtar Mai, die mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit ging. Die heute 34-Jährige war im Jahr 2002 – auf Anweisung der Dorfältesten – von mehreren Männern aus ihrem Dorf vergewaltigt worden.

Präsident Musharraf hatte bereits zu Beginn seiner Machtausübung versprochen, die sogenannten „Hadud-Verordnungen“ wieder abzuschaffen. Doch angesichts seiner schwindenden Popularität und der Suche nach politischem Rückhalt vermied er es, den Klerus und die religiösen Parteien vor den Kopf zu stoßen, und schwieg. Unter dem Druck einer lautstarken Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaftunternahm er schließlich im September einen ersten Anlauf, diesen Schandfleck zu tilgen.

Damals scheiterte Musharraf noch, teilweise weil sich neben den Islamisten auch die eigene Regierungspartei dagegen sträubte. Aber auch die liberale Opposition der „Pakistanischen Volkspartei“ PPP verweigerte ihm die Stimme. Ihr ging die Reform der Hadud-Gesetze nicht weit genug. Die PPP rang sich dann doch noch zu einer Unterstützung des neuen Gesetzes durch, wenn auch mit Vorbehalten. Diese betreffen die Einführung eines Unzucht-Paragraphen, der jeden nichtehelichen Geschlechtsakt zum Verbrechen erklärt. Viele Frauen sehen darin wiederum einen Freibrief für Erpressung und Nötigung. Er droht in der Hand mächtiger Eltern oder Ehepartner missbraucht zu werden, abgesehen von der Willkürmacht, die er Polizei und Richtern einräumt.