Wie erleben Sie den Klimawandel? Folge 11: Ministerpräsident Mike Rann in Südaustralien
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Ort: Ländliche Gegenden im Süden Australiens

Klimawandel: Dürre

Betroffen: Bauern, ihre Tiere und die Bevölkerung

Der Viehmarkt in Goulburn ist übervoll. Lastwagen um Lastwagen fährt vor, beladen mit hunderten von Rindern und Schafen. „Gute Tiere, zu gute eigentlich“, sagt ein Händler. Die Einkäufer der Schlachthöfe reiben sich die Hände. Vor ein paar Tagen bezahlten sie umgerechnet zwei Euro für ein Schaf. Selbst Zuchttiere müssen zum Metzger.

„Die Bauern sind ganz einfach froh, wenn sie die Tiere los sind. Es erspart ihnen, sie selber zu erschießen“, so der Händler. Die Flut von Tieren auf Viehmärkten wie dem in Goulburn, zwei Stunden südlich der Millionenstadt Sydney, ist ein Symptom für das Drama, das sich in den ländlichen Regionen im Süden Australiens abspielt. Landwirte verkaufen Schafe und Rinder zu Schleuderpreisen, weil sie sie nicht mehr füttern können. Die Weiden liegen brach; Grasland versteppt.

Während es im tropischen Norden zu immer stärkeren Niederschlägen kommt, haben weite Teile im Südosten des Landes seit gut sechs Jahren keinen richtigen Regen mehr gehabt. Nicht, dass länger anhaltende Dürreperioden hier ungewöhnlich wären. Der rote Kontinent ist der trockenste der Welt, nach der Antarktis. Doch so lange ohne Regen – daran können sich selbst die ältesten Bauern nicht erinnern.

Vor ein paar Tagen sprach der sozialdemokratische Ministerpräsident des Bundesstaates Südaustralien, Mike Rann, von einer „Jahrtausenddürre“, unter der Australien laut Aussagen von Experten leide. Die Antwort des konservativen australischen PremierministersJohn Howard zeigt, wie politisiert das Problem ist. Es gäbe in Australien erst seit 114 Jahren Aufzeichnungen über Klimaentwicklung, eine solche Behauptung sei deshalb nicht beweisbar. Der Premier ist in Abwehrposition. Immer mehr Experten sehen die Ursache für die Rekordtrockenphase in einem Phänomen, dessen Existenz Howard bis vor Wochen nicht einmal anerkennen wollte: den durch menschliche Tätigkeit ausgelösten Klimawandel.

Obwohl Australien pro Kopf der Bevölkerung weltweit der größte Verursacher von Treibhausgasen ist, ist das Land in Sachen Klimaschutz ein Außenseiter. Howard will weder das Kioto-Protokoll ratifizieren noch ernsthafte Maßnahmen zur Schadensreduktion unternehmen. Seine Begründung: Jede Einschränkung der mächtigen australischen Kohleindustrie würde der Wirtschaft „unzumutbaren“ Schaden zuführen. Kohle, die für einen Großteil der Emissionen verantwortlich ist, feuert nicht nur die australischen Elektrizitätswerke an, sie ist ein wichtiges Exportprodukt.

Erst als vor ein paar Wochen Meinungsumfragen zeigten, dass die Bevölkerung beunruhigt ist und von der Regierung Schritte gegen den Klimawandel fordert, begann man in Canberra zu handeln. Allerdings waren die angekündigten Maßnahmen minimal im Vergleich zu den einschneidenden Reduktionen des Energieverbrauchs, die Experten fordern. Howard kündigte den Bau eines Sonnenkraftwerkes an und gab der Fossilienindustrie Gelder für die Forschung nach Methoden der „Säuberung“ von Kohle. Außerdem will er den Bau von Kernkraftwerken prüfen, damit Australien in den Genuss von „sauberem Atomstrom“ komme.

Derweil droht die Dürre ganze Landstriche unbrauchbar zu machen. Das Becken des Murray-Darling-Flusssystems, so groß wie Frankreich und Spanien zusammen, könnte schon in einem Jahr trocken sein, fürchten Fachleute. Damit ist das Überleben unzähliger Dörfer und Städte gefährdet – und rund 40 Prozent der australischen Landwirtschaft.

URS
WÄLTERLIN