CHRISTIAN RATH ÜBER DIE ANKLAGE GEGEN DEN SUIZIDHELFER ROGER KUSCH
: Politische Justiz

Eigentlich ist die Selbsttötung in Deutschland nicht strafbar. Und deshalb ist die Beihilfe zur Selbsttötung ebenfalls straffrei. Letzteres will eine interfraktionelle Mehrheit der Bundestagsabgeordneten jedoch ändern. Die organisierte Hilfe zur Selbsttötung soll künftig unter Strafe stehen, so ihr Ziel, es soll keinen „Anreiz“ zur Selbsttötung geben.

Treffen wollen die Abgeordneten damit vor allem den Hamburger Verein „Sterbehilfe Deutschland“ von Ex-Justizsenator Roger Kusch. Nach eigenen Angaben hat er seit seiner Gründung vor vier Jahren bereits 118 Menschen beim Suizid geholfen, meist indem der Verein todbringende Medikamente besorgte, die die Sterbewilligen dann selbst einnahmen. Vor wenigen Tagen jedoch hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Anklage gegen Kusch und einen kooperierenden Arzt wegen Totschlags erhoben. Zwei alte Frauen haben sich zwar selbst getötet, aber weil Kusch und Spittler sie nicht richtig über die Alternativen zum Suizid aufgeklärt hätten, sieht die Staatsanwaltschaft die beiden als „mittelbare Täter“ an. Was für ein Konstrukt!

Die politische Diskussion in Berlin wird das Hamburger Verfahren auf jeden Fall befeuern, absichtlich oder nicht. Falls Kusch und der Arzt am Ende verurteilt werden, sind sie stigmatisiert. Dann ist es leichter, die Vereinstätigkeit generell strafrechtlich zu verbieten – obwohl es in Umfragen immer Mehrheiten für die selbstbestimmte Lebensbeendigung gibt.

Und falls die beiden am Ende freigesprochen werden, dürfte dies als Beleg für die angebliche Strafbarkeitslücke gelten – die dringend geschlossen werden muss, indem der Bundestag die Vereinstätigkeit generell unter Strafe stellt.

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