ISRAELS ORTHODOXE WOLLEN MEHR ALS SCHWULENDEMOS VERHINDERN
: Teheran in Jerusalem

Nichts stimmte an dem Minihappening, das Israels Homosexuelle gestern in Jerusalem feierten. Eine geschlossene Veranstaltung hinter den Mauern eines Sportstadions passt einfach nicht zum Ziel, Homosexualität öffentlich zu machen und all den Schwulen, die sich noch immer vor ihrer Umwelt verstecken, zu zeigen, dass sie nicht allein sind.

Den Ultraorthodoxen in Jerusalem geht es nicht nur um ein paar mit Federn geschmückte Männer, die auf offenen Wagen durch die Stadt tanzen. Sie wollen weit mehr als die Ghettoisierung der Schwulen im Land. Eine heterosexuelle „Love Parade“ wäre ihnen kaum minder ein Dorn im Auge. Der Kampf der Ultraorthodoxen endet erst, wenn am Sabbat keine Autos mehr fahren, wenn das letzte Restaurant ohne Geschlechtertrennung, der letzte Kiosk, der nach Sonnenuntergang am Freitag noch immer geöffnet hat, und der letzte Laden, der mit dem unkoscheren Schweinefleisch handelt, geschlossen sind.

Für die Leute in Mea Schearim, dem ultraorthodoxen Wohnviertel Jerusalems, kommt schon die reine Existenz des Judenstaates einer Gotteslästerung gleich. Sie zahlen weder Steuern, noch leisten sie Wehrdienst. Ihre Frauen dürfen keine Jeans tragen und müssen sich die Haare vom Kopf scheren, sobald sie verheiratet sind.

Heute hat rund die Hälfte der israelischen Schüler mit Zionismus nichts mehr im Sinn, weil sie entweder ultraorthodox oder Araber sind. Beide Gruppen überschneiden sich ideologisch geradezu perfekt, wenn es zu den Keuschheitsgesetzen kommt. Wenig überraschend kämpften sie Hand in Hand gegen die „Pride Parade“ – und siegten.

Darüber sollten sich nicht nur die Schwulen sorgen. Sicher, sie sind es, die jetzt ihren Kopf hinhalten und dabei Gefahr laufen, von verklemmten Schöndenkern verpottet und verprügelt zu werden, weil zu ihrer Gruppe eben auch Männer gehören, die gern Kleider tragen. Aber: Der Kampf um die Parade der Schwulen ist nicht allein der Kampf der Homosexuellen – sondern aller liberalen Anhänger von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheit. SUSANNE KNAUL